Frankreich, Holland und Katalonien reagieren bereits

In den Niederlanden wurden am Samstag Diskotheken und Nachtclubs wieder geschlossen, Restaurants dürfen nur noch bis Mitternacht öffnen. Regierungschef Mark Rutte begründete die bis mindestens zum 13. August geltenden Regeln mit dem rasanten Anstieg der Infektionsfälle infolge der Delta-Variante. Die Zahl der Neuinfektionen in den Niederlanden war binnen sieben Tagen um das Siebenfache gestiegen.

Während in Frankreich die Nachtclubs am Freitagabend erstmals seit März 2020 unter Auflagen wieder öffnen durften, wurden in der spanischen Region Katalonien die Corona-Maßnahmen für Feierwillige ebenfalls wieder verschärft. Nachtclubs bleiben nun wieder geschlossen; wer Veranstaltungen im Freien mit mehr als 500 Teilnehmern besuchen will, muss vollständig geimpft sein oder einen negativen Coronatest vorweisen.

Katalonien hatte sich zuletzt zum neuen Corona-Hotspot Spaniens entwickelt. Doch auch im ganzen Land steigen die Fallzahlen wieder stark an. Deshalb gilt ganz Spanien ab Sonntag für Reisende aus Deutschland wieder als Corona-Risikogebiet.

Bundeskanzler appelliert an Eigenverantwortung

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nun verstärkt auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung setzen. “Der Staat hat die letzten eineinhalb Jahre massiv in das Leben jedes Einzelnen eingegriffen, er muss sich jetzt wieder auf seine Kernaufgaben zurückziehen”, sagte er im Gespräch mit den Bundesländer-Zeitungen (Samstag-Ausgaben).

“Die Krise redimensioniert sich. Sie wandelt sich von einer akuten gesamtgesellschaftlichen Herausforderung zu einem individuellen medizinischen Problem”, das jeden betreffe, der nicht geimpft sei, meinte Kurz. Die Pandemie werde nunmehr dem individuellen Risiko- und Vernunftmanagement überantwortet. “Wir sind eine liberale Demokratie. Es gibt das Recht, rechtskonform unvernünftig zu handeln. Man kann am Tag zehn Schnitzel essen oder mit 140 Kilo die Felswand hinaufklettern, ohne dass der Staat unten steht und das Seil sichert.” Für besonders sensible Orte der Zusammenkunft wie Schulen oder Gesundheitseinrichtungen werde die Eigenverantwortung aber auch weiterhin an spezielle Sicherheitsstandards gekoppelt sein.

70-prozentige Impfrate wird nicht reichen

Angesichts der steigenden Infektionen mit der hochansteckenden Delta-Variante setzen die Länder aber nicht nur auf neue Beschränkungen, sondern zunehmend auch auf Impfungen. In Lettland etwa müssen alle Berufssoldaten bis August geimpft sein, wie Militärchef Leonids Kalnins am Freitagabend im staatlichen Fernsehen verkündete. Andernfalls drohe ihnen die Entlassung.

Die Europäische Union hat inzwischen genügend Impfstoff zur Verfügung, um 70 Prozent der Erwachsenen abzudecken. Nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden bis Sonntag EU-weit “rund 500 Millionen Dosen” verteilt sein. “Die EU hat ihr Wort gehalten”, erklärte von der Leyen.

Allerdings reicht eine Impfquote von 70 Prozent im Kampf gegen das Virus vermutlich nicht aus: Die Ausbreitung der Delta-Variante macht Experten zufolge inzwischen eine noch höhere Impfquote zur Eindämmung der Corona-Pandemie erforderlich als bisher angenommen. Der wissenschaftliche Beirat der französischen Regierung erklärte am Freitagabend, er halte sogar eine Impfquote von bis zu 95 Prozent für notwendig. Das Robert-Koch-Institut (RKI) in Deutschland hatte seinerseits erklärt, dass 85 Prozent der Zwölf- bis 59-Jährigen und sogar 90 Prozent der Menschen ab 60 Jahren geimpft sein sollten. (APA/red)