Wie denken die Russen über den Krieg in der Ukraine? Das ist seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar eine heiß diskutierte Frage, die lange ohne klare Antwort blieb, weil die Meinungsforschungsinstitute nicht offen nach dem Krieg fragen durften. Offiziell wird der Krieg in Russland als „Sonderoperation“ bezeichnet.

Wie der Tagesanzeiger aber jetzt berichtet, hat das unabhängige Onlineportal Medusa eine Geheimumfrage des Kremls öffentlich gemacht, der zufolge nur noch ein Viertel der Russen den Krieg in der Ukraine weiterführen will. Über 50 Prozent sprechen sich hingegen für die Aufnahme von Friedensgesprächen mit Kiew aus. 

Das bedeutet gemäß der Daten, die Medusa bereits mehrmals von hohen Kreml-Beamten zugespielt wurden, einen massiven Stimmungsumschwung: Noch im Juli sprachen sich laut den Angaben 57 Prozent der Befragten für eine Weiterführung des Kriegs aus und nur 32 Prozent für Friedensgespräche.

Meinungsumschwung auf Kriegsverluste und Teilmobilmachung zurückzuführen

Der Meinungsumschwung wurde wohl durch die Niederlagen gegen die ukrainische Armee auf dem Schlachtfeld, aber vor allem durch die wenig populäre Teilmobilmachung ausgelöst, die Putin am 21. September verkündet hatte. Bis dahin hatte der Krieg für viele Russinnen und Russen weit entfernt von ihrem Alltag stattgefunden. 

Die Einberufung von 300.000 Soldaten, die der Kreml wegen ihrer sozialen Sprengkraft lange hinausgezögert hatte, wühlte die russische Gesellschaft auf. Es gab Proteste, Zehntausende, vor allem junge Männer, verließen das Land fluchtartig.