Darauf war Robert Habeck (Grüne) nicht vorbereitet: Eine Reporterin des dänischen Senders DR TV knöpfte sich den deutschen Klimaschutz- und Wirtschaftsminister vor, und ließ es in diesem Interview ausnahmsweise nicht nur mit netten Fragen bewenden. Sie bohrte vielmehr nach und trieb den Grünen-Politiker mit ihren Nachfragen in die Enge. Der Grund: Deutschland schaltet CO2-arme Kernkraftwerke zurzeit ab, und setzt im Gegenzug nun auf mehr „klimaschädliche“ Kohle.

Die Folge: Im Dezember war die deutsche Energieproduktion CO2-intensiver, als jene Chinas, Indiens und Südafrikas – der eXXpress berichtete. Der Titel der dänischen Sendung lautete daher: „Werden Deutschlands Grüne schwarz?“

Habeck: „Kernkraftwerke erhalten Uran aus Russland“

Doch trotz der kritischen Interviewführung schaffte es Habeck, der dänischen Reporterin eine Falschmeldung unwidersprochen unterzujubeln. Das hat nachträglich das deutsche Magazin „Tichys Einblick“ aufgedeckt. Der deutsche Minister begründete den Atomausstieg Deutschlands doch glatt mit der Energie-Abhängigkeit von Russland, aus der man sich nun befreien wolle.

Warum lässt Deutschland nicht zumindest seine drei verbliebenen Atomkraftwerke in Betrieb, möchte die Reporterin wissen. „Where do the get their uranium from?“, fragt daraufhin Robert Habeck, um gleich selbst die Antwort zu geben: „Oops, from Russia.“ („Woher bekommen die Kernkraftwerke ihr Uran? Oops, aus Russland.“) Deutschlands Ziel sei jedoch die Unabhängigkeit von Russland.

Was der deutsche Grünen-Politiker hier sagt, ist schlicht „Unsinn“, wie „Tichys Einblick“ unterstreicht, und auch Habeck selbst wissen dürfte.

Putin – ein Lieferant von Uran und Brennstäben? Das wäre etwas Neues.

Befreundete Staaten produzieren mehr Uran als Russland

Deutschland könnte problemlos seine Kernkraftwerke weiterhin betreiben, ohne dabei auch nur ein kleines Bisschen auf die Russische Föderation angewiesen zu sein. Erstens laufen Kernkraftwerke nicht mit Uran, sondern mit Brennstäben. Zweitens spielt Russland weder für das eine, noch für das andere eine herausragende Rolle.

Kernkraftwerke benötigen Brennstäbe. Angebote gibt es zuhauf aus aller Welt.

Der weltweit führende Anbieter von Uran ist in Wahrheit Kasachstan, dessen Vorräte den Bedarf der gesamte Welt für längere Zeit decken könnten. Die nächstgrößten Uran-Förderländer sind Namibia, Kanada, Australien und Usbekistan – also Staaten, mit denen Deutschland entweder befreundet ist, oder zu denen es zumindest gute Kontakte pflegt. Erst auf Platz sechs folgt Russland. Nachzulesen ist das alles bei der World Nuclear Association.

Für die Brennstäbe spielt Russland keine Rolle

Bei der eigentlich entscheidenden Herstellung von Brennstäben ist Habecks Argumentation noch absurder. Am meisten Leichtwassser-Reaktoren werden in Brasilien produziert, gefolgt von China, Frankreich und – sieh an! – Deutschland. Die niedersächsische Stadt Lingen ist nämlich Hauptsitz von Advanced Nuclear Fuels (ANF), einer Tochtergesellschaft des französischen Unternehmens Framatome. Die größten Firmen für die Herstellung befinden sich wiederum in Argentinien, Kanada, China und Indien. Für den Fall dass Deutschland seine Kernkraftanlagen weiterhin in Betrieb lassen möchte, hat das US-Unternehmen Westinghouse im vergangenen Jahr die Lieferung von Brennstäben konkret angeboten.

Vielleicht sollte der Wirtschaftsminister einmal ein Atomkraftwerk von innen besichtigen. Im Bild: Arbeiter justieren aktive Kernbrennstäbe, die in der Nähe des Reaktorkerns im Eon-Kernkraftwerk in Grohnde, Deutschland.Timothy Fadek/Corbis via Getty Images

Russland ist hier völlig unbedeutend. Um die deutschen Kernkraftwerke weiterhin mit Brennstäben laufen zu lassen, müsste sich Berlin rein gar nicht in die Hände Moskaus geben. „Tichys Einblick“ resümiert: „Bei Habecks Behauptung, ein Festhalten an der Kernkraft mache Deutschland von Russland abhängig, handelt es sich also zu hundert Prozent um eine Falschaussage.“