Wir leben in merkwürdigen Zeiten. Der britische Verlag Puffin Books, der zu Penguin Random House gehört, hat im Herbst mit viel Werberummel Klassiker des britischen Autors Roald Dahl (1916-1990) auf den Markt gebracht, die munter gekürzt und in denen Wörter abgewandelt wurden, beraten von sogenannten – man lasse es sich auf der Zunge zergehen – Sensitivity-Readern.

Man kann zu ihnen getrost auch Moral-Polizei sagen. Das Ziel: die Geschichten aus den Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahren, darunter Titel wie “Charlie und die Schokoladenfabrik”, “Matilda” oder “Hexen hexen” an die Bedürfnisse heutiger junger Leser anzupassen – und wohl auch an den Zeitgeist. Alles, was verletzen könnte, soll vermieden werden.

"Charlie und die Schokoladenfabrik" wurde mit Jonny Depp in der Hauptrolle erfolgreich verfilmt

Hundert Wörter in mindestens zehn Büchern verändert

Die britische Presse hat eifrig Befunde gesammelt: Die Figur des Augustus Gloop (Augustus Gier” ist nicht mehr “fat“, sondern “enormous“. Die Umpa-Lumpas sind keine “small men” mehr, sondern “small people“. Aus einer Supermarktkassiererin und einer Sekretärin wurden Wissenschaftlerin und Businessfrau.

Miss Trunchbull wiederum, die von Dahl als “most formidable female” bezeichnet wird, ist zur “most formidable woman” geworden. Die Botschaft dahinter: Eine Frau muss nicht unbedingt weiblich sein. Und wo in Dahls Originalfassung Frauen kreischen und Männer weiß werden im Gesicht, heißt es in der korrigierten Version: “All over the dining room people were screaming”.

Und aus einem Satz wie She needs a really good spanking (“Der gehört mal ordentlich der Hintern versohlt”) wurde She needs a really good talking to (“Mit der müsste man mal ein ernstes Wörtchen reden”).

Hunderte Wörter in mindestens zehn Büchern seien verändert worden, kann man der empörten Presse entnehmen.

Salman Rushdie, der seit einer Messerattacke durch einen islamistischen Fanatiker auf einem Auge blind ist, hat die Zensur an den Dahl-Büchern scharf verurteiltQuelle: Twitter

Seine Werke wurden in 68 Sprachen übersetzt

Dem Autor hätten diese Änderungen sicherlich nicht gefallen, sagte der Dahl-Biograf Matthew Dennison in der “Nw York Times. Dahl habe kein gutes Verhältnis zu Lektoren gehabt und es gar nicht leiden können, wenn sie in seine Texte eingreifen wollten. Dahl selbst kann sich nicht mehr äußern, er starb 1990. Seine Werke wurden in 68 Sprachen übersetzt, viele Geschichten sind erfolgreich verfilmt worden, weltweit wurden über 300 Millionen Bücher verkauft.

Kritik an der moralinsauren Zensur der Dahl-Bücher wurde unter anderen von den Autoren Salman Rushdie (“Satanische Verse”, “Mitternachtskinder”) und Philip Pullman(“Der Goldene Kompass”, “Das Bernstein-Teleskop”) formuliert.