Europa hat sich zunehmend in die Abhängigkeit von ausländischen Produkten und Energielieferanten begeben, sagt Ex-Diplomatin Karin Kneissl. Gleichzeitig habe die Politik aber in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig auf Energiesicherheit geachtet. Ebenso wurde die Erschwinglichkeit von Energieressourcen zu wenig berücksichtigt. Die Aufmerksamkeit lag primär auf dem Klimawandel, und das hat Fragen der Sicherheit und Finanzierbarkeit verdrängt, sagt Kneissl in einem Vortrag, den sie einem internationalen runden Tisch über Europas sicherheitspolitische Herausforderungen hielt, organisiert unter anderem vom Zentrum für geostrategische Studien.

Wunschdenken bei Energiekrise und Wirtschaftskrieg gegen Russland

Im Bereich der Energie bekommen die Europäer die Folgen des Ukraine-Kriegs besonders stark zu spüren. Die Internationale Energieagentur erklärte kürzlich, die Welt stehe vor einer “globalen Energiekrise von noch nie dagewesener Tiefe und Komplexität”, und es gebe “kein Zurück mehr zu den alten Verhältnissen”.

Kneissl hob die Bedeutung von Energiesicherheit und Bezahlbarkeit für Haushalte und Industrie hervor. Die Europäer müsste nun endlich realistischer und ehrlicher werden mit Blick auf das, was in Bezug auf die Energieerzeugung möglich ist und was nicht, sagt Kneissl. Generell müsse man sich von einem Schwarz-Weiß-Denken verabschieden.

Die ehemalige Außenministerin kritisierte auch die Haltung des Westens gegenüber Russland und die Sanktionen. Ein großes Problem des Westens sei generell der Konflikt zwischen Wunsch und Wirklichkeit, was sich neben der aktuellen Energiekrise auch beim Wirtschaftskrieg gegen Russland zeigt. Das Verhalten sämtliche europäischer Staaten sei schlicht unreif.