In der renommierten BBC-Sendung “Hard Talk” sagte die ehemalige österreichische Außenministerin Karin Kneissl am Montagabend, es sei stets ihr Ziel gewesen, eine “neutrale Außenpolitik” zu verfolgen. Dabei habe sie drei Schwerpunkte vor Augen gehabt. Erstens: die Beziehungen zur Türkei zu intensivieren. Zweitens: sich China gegenüber zu öffnen. Drittens: als neutrales Land einen strategischen Dialog sowohl mit Russland als auch mit den USA zu starten.

Gefragt nach ihrem umstrittenen Tanz mit Kreml-Chef Wladimir Putin bei ihrer Hochzeit im Jahr 2018, sagte Kneissl, dass sie diesbezüglich nichts bereue. Sie sei damals von einem „Gentleman“ (Putin) zum Tanz aufgefordert worden und habe als „Dame“ zugestimmt, wie es in solchen Situationen eben zu sein pflege.

Auf die Frage, ob sie mit Putin auch heute tanzen würde, gegen den inzwischen ein Haftbefehl vom Internationalen Gerichtshof verhängt worden sei und der als „Kriegsverbrecher“ gelte, antwortete die ehemalige Außenministerin mit „Ja“. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, so ihr Zusatz. Sie betonte, es gebe „genug Kriegsverbrecher“, die frei umherliefen. Diesbezüglich würde sie gerne Julian Assange in Freiheit sehen, der unzählige Daten zu Kriegsverbrechern gesammelt habe. Kriegsverbrecher seien unter anderem auch in höchsten britischen Polit-Kreisen zu finden, so Kneissl. Von den USA ganz zu schweigen.

Putin vor dem Internationalen Gerichtshof? - woanders wimmelt es von Kriegsverbrechern

Kneissl betonte, dass Wladimir Putin vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag nichts zu suchen habe. Und weiter: Der Internationale Gerichtshof werde von vielen Staaten nicht anerkannt. Deshalb habe das Gericht rechtlich auch keinen Zugriff auf Putin in ihren Augen. Das sage sie als jemand, der internationales Recht studiert habe.

Zur Erinnerung: Julian Assange (51) ist ein australischer investigativer Journalist, der das Enthüllungsportal WikiLeaks gegründet hat. Er sitzt heute in Haft, weil WikiLeaks streng geheime US-Militärprotokolle veröffentlicht hat, die unter anderem Kriegsverbrechen der USA während der Kriege in Afghanistan und im Irak belegen.

Auch Van der Bellen habe Putin eingeladen - zu den Salzburger Festspielen

Wiederholt zu ihrem freundschaftlichen Verhältnis gegenüber Putin gefragt, erklärte die Ex-Außenministerin in ruhigem, gelassenem Ton, dass sie ihn nicht als Freund bezeichnen würde. Laut Kneissl ruft man einen Freund an, wenn man einen Autoschaden hat. Putin gehöre nicht in diese Kategorie.

Sie verwies darauf, dass sie den Kreml-Chef zuletzt im März 2019 gesehen habe, als der sogenannte Sotschi-Dialog zwischen Russland und Österreich unterschrieben worden sei. Damals habe sie Bundespräsident Alexander Van der Bellen begleitet. Obendrein habe Van der Bellen Putin damals zu den Salzburger Festspielen im darauffolgenden Jahr (2020) eingeladen.

Antwort auf Grünen-Kritik: Sie sei keine Spionin Russlands

Angesprochen auf die scharfe Kritik von Seiten der Grünen in Österreich, dass sie für Russland arbeite und sogar als Spionin in Diensten Moskaus tätig sei, sagte Kneissl, dass dies natürlich nicht der Fall sei. Sie machte hierbei darauf aufmerksam, dass sie immer wieder mit solcher Kritik aus dem Lager der Grünen und von Seiten der österreichischen Mainstream-Medien konfrontiert werde. Kneissl bekräftigte, dass sie niemals für den russischen Geheimdienst gearbeitet habe.

Auf die Kritik, dass sie das russische Mineralölunternehmen Rosneft, wo sie im Aufsichtsrat saß, erst drei Monate nach Beginn des Krieges in der Ukraine, also im Mai 2022, verlassen habe, sagte sie, sie sei nicht die Person, die ein schlingerndes Schiff als Erste verlasse. Deshalb fühle sie sich auch „nicht unangenehm“ dabei, Rosneft erst drei Monate nach Beginn des Krieges den Rücken gekehrt zu haben. Sie wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass der britische Mineralölkonzern BP nach wie vor große Anteile an Rosneft halte und sich dabei auch nicht unangenehm fühle.

Stephen Sackur von der BBC

Neutralität? Militärtransporte fünf Mal pro Tag durch Österreich

Im Hinblick auf die Ukraine betonte sie, dass Österreich „weder politisch noch militärisch“ neutral sei. Dabei verwies sie darauf, dass es über österreichisches Gebiet ungefähr fünf militärische Lieferungen in die Ukraine pro Tag gäbe.

Demgegenüber hob sie Ungarn hervor, dass als NATO-Land keinen Transit von militärischem Gerät in die Ukraine zulasse. Kneissl forderte denn auch, dass Österreich zur Neutralität zurückkehren solle. Was den Krieg in der Ukraine angehe, befürworte sie Friedensverhandlungen, die aufgrund des chinesischen Friedensplans, der eXXpress berichtete, so rasch wie möglich begonnen werden.

Mit Blick auf die große Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas, sagte Kneissl, dass das Land seit 1968 Erdgas aus Russland importiere. Gleichwohl betonte sie, dass die Energieversorgung Österreichs diversifiziert werden müsse.

Karin Kneissl (58) war vom 18. Dezember 2017 bis zum 3. Juni 2019 Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres. Die parteilose Kneissl wurde damals von der FPÖ nominiert.

Wie sie gegenüber BBC sagte, hat sie ihre Arbeit im diplomatischen Dienst Österreichs fortsetzen eigentlich wollen, jedoch wurde ein Arbeitsverbot gegen sie verhängt. Sie erzählte auch, dass sie zuerst nach Frankreich gezogen sei und jetzt im Libanon im Exil lebe. Dabei betonte sie, dass sie die freie Meinungsäußerung dort sehr schätze.