Die grünen Stadträtin Judith Pühringer etwa kritisiert scharf, dass Ludwig Erdogan besuchte: „Der Besuch ist ein völliger Affront für alle, die unter seinen Repressalien leiden und verfolgt werden“, postete sie auf Twitter.

"Wo bleibt die Vorbildfunktion?"

Die “Föderation der Demokratischen Arbeitervereine” aus türkisch- und kurdisch-stämmigen Österreichern bläst in dasselbe Horn. Sie stellen die Frage, was der Bürgermeister einer “Menschenrechtsstadt” ausgerechnet bei Erdogan zu suchen hätte. “Welche Vorbildfunktion hat es einen Präsidenten Erdogan zu besuchen, unter dessen Regentschaft sich 260.000 Gefängnisinsassen befinden, wovon rund 50.000 politische Gefangene sind? Welche Vorbildfunktion hat es für den Bürgermeister der Menschenrechtsstadt ein Staatsoberhaupt zu besuchen, der die Istanbul Konvention abschafft während mindestens drei Frauen im Land ermordet werden und Täter aufgrund AKP-Anhängerschaft und Verbindungen auf freiem Fuß laufen”, fragt der Verein auf Facebook.

Sorgt für einen Shitstorm: Ludwigs Besuch bei Erdogan in der Türkei

"Wo bleiben die mutigen Genossen?"

Die Sprecherin für Menschenrechte der Wiener Grünen, Berivan Aslan, vermisst einen Aufschrei aus den Reihen der SPÖ. “Wo bleibt bitte der Aufschrei der mutigen Genossinnen und Genossen? Wenn es diesen Mut gegeben hätte, wären heute Putin und Erdogan nicht so groß geworden. Sie haben diese Egomanen für Wirtschaftsgeschäfte geduldet”.

"Koalition mit Islamisten und Faschisten"

Der bekannte Soziologe Kenan Dogan Güngör attestiert Erdogan, “in einer Koalition mit Faschisten und Islamisten, Angriffskriege und ethnische Säuberungen gegen Kurden in Syrien” vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund verurteilt freilich auch er den Besuch des Wiener Stadtchefs in Istanbul.

“Wiens Bürgermeister – und Michael Ludwig”

“Der Wiener Bürgermeister und sein Statthalter Michael Ludwig”, kommentiert Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp das gemeinsame Bild von Ludwig und Erdogan auf Twitter mit einem Augenzwinkern. Aber Kritik kommt dann doch auch auch aus der eigenen Reihe. In einem offenen Brief machten “SPÖ-Mitglieder, Wähler und Unterstützer” ihrem Unmut Luft.

Es sei “kein guter Dienst für die Stadt Wien und seine Menschen”, heißt es in dem Brief an den Wiener SPÖ-Boss. Vor allem die Tatsache, dass man vom Besuch “nebenbei” aus Berichten erfahren musste, macht viele Wiener wütend. “Warum müssen wir als Wiener so etwas von dem türkischen Botschafter, der eigentlich kein üblicher Botschafter ist, sondern de facto die „voice and first lobbyist of Erdogan & AKP“, Herr Ozan Ceyhun auf so unprofessionelle Weise erfahren?”, heißt es da. Und weiter: “Weil sich die Türkei durch Erdogan und die AKP-Partei in einem unmenschlichen, demokratie- und rechtsstaatsfeindlichen Ein-Mann-Staat in der unglücklichsten Zeit befindet und jeder Besuch, besonders der eines sozialdemokratischen Politikers wie Ihnen, den wir in Wien gewählt haben, Erdogan und die AKP vor den Präsidentenwahlen in der Türkei 2023 nochmal in Wien und Österreich salonfähig machen wird und als Bestätigung der derzeitigen Handhabung der AKP von der SPÖ verstanden wird.”