Sie wollte offensichtlich nicht höflich den Koalitions-Frieden betonen, sondern ziemlich eindeutig einen rhetorischen Kinnhaken beim Kanzler landen: Energie- und Klima-Ministerin Leonore Gewessler nutzte das aktuelle Interview mit dem Kurier zu einer harten Attacke gegen den ÖVP-Chef und Koalitionspartner.

Auf die Frage, ob das Buch des Kernkraftlobbyisten und Trump-Beraters Michael Shellenberger eine gute Lektüre für Nehammer sei, der daraus in seiner Kanzlerrede Bezug nahm, meinte die Grüne: “Nein. Shellenberger verfolgt hier eine eigene Agenda. Und wenn man ehrlich ist, ist das eine moderne Form der Klimawandel-Leugnung.”

Und Gewessler legte noch mit einem Schlag gegen die ganze ÖVP nach: “Die Geschichte der ÖVP und des Klimaschutzes lässt sich ja an 30 Jahren Regierungsbeteiligung transparent nachvollziehen: an schlechten Klimabilanzen und steigenden Emissionen. Wenn es nach den Prioritäten der ÖVP geht, gibt es also zu wenig Klimaschutz.”

Laura Sachslehner war mit ihrer Kritik an Gewessler sicher nicht allein.

Kanzler wollte für Stabilität sorgen - und stellte Kritik an Gewessler ab

Die Energie- und Klima-Ministerin dürfte offenbar nicht ganz verkraften, dass auch aus der ÖVP immer stärkere Kritik an ihrer Amtsführung kommt: So meinen die Koalitionspartner, dass sie sich bei der Einführung des Klimabonus dramatische Fehler geleistet hätte – immerhin schadet es der gesamten Bundesregierung, dass Gewesslers Klimabonus-Verordnung dafür sorgt, dass die 500 Euro Steuergeld auch an Strafgefangene, Asylwerber und sogar an Verstorbene ausbezahlt wird.

Und während der Kanzler die immer lauter werdende Kritik an Gewessler aus den ÖVP-Reihen damit stoppte, dass er mit Generalsekretärin Laura Sachslehner ein klärendes Gespräch führte (und Sachslehner dann ihren Job hinschmiss), greift die Grüne jetzt den ÖVP-Chef an und stellt ihn in die direkte Nähe der Klimawandel-Leugner.

Sie berät die Energie-Ministerin: Katja Diehl.

Fahrplan in der Koalition: Endstation bald erreicht

Aber schon bei der Rede des Kanzlers zeigte sich deutlich: Die ÖVP-Spitze will den grünen Ballast abwerfen, die richtige Stimmung für die nächste Wahl – ob im Herbst 2024 oder schon 2023 – vorbereiten. Motto: Mit den Grünen geht’s so einfach nicht, obwohl sich die ÖVP “eh redlich bemüht” hätte.

So sprach Karl Nehammer bei seiner Rede eindeutig negativ über die auf Straßen klebenden “Klima-Hysteriker”, die von Kogler und Gewessler ja besonders positiv bewertet werden. Und die Energie-Ministerin beschäftigt in ihrem Ressort sogar Katja Diehl als Beraterin, die bekanntlich deutsche Klimaschutz-Extremisten unterstützt.

Auch das Statement vom Kanzler, dass er ganz klar sein Veto gegen das Verbrenner-Aus in der EU einlegen werde, dürfte die Risse in der schwarz-grünen Koalitions-Beziehung noch deutlich vergrößert haben.

Soll die Koalition aus ÖVP und Grüne noch bis zum Herbst weiterregieren?