Diese plötzliche Massenhysterie, die „Strache muss weg“-Sprechchöre vor dem Kanzleramt am 17. Mai 2019 blieben uns in Erinnerung. Dazu Zeitungskommentatoren, die sich mit der Radikalität ihrer Rücktrittsforderungen übertrumpfen wollten: Strache muss gehen, Kickl muss weg, auch Kurz sollte sich als Kanzler verabschieden – „Türkis-Blau am Ende“ wurde in megabreiten Lettern getitelt.

Die Stimmen jener, die fragten: „Auf was hinauf denn bitte?“ waren damals zu leise. Es wollte ja auch niemand diejenigen hören, die sagten: „Warten wir doch ab, bis wir nicht nur fünf Minuten, sondern alles von diesem Strache-Video gesehen haben. Wir sollten die ganze Wahrheit wissen, bevor eine Bundesregierung der Republik Österreich im Affekt aufgelöst wird.“

Die Mehrheit der Österreicher richtete aber ihr Urteil damals nach den Amateur-Staatsanwälten der „Süddeutschen Zeitung“, des „Spiegels“, des kleinen Regionalblatts „Falter“ und auch nach einigen Zwergerl-Machiavellis in der „Kronen Zeitung“ aus.

Klar: Wir alle waren von den Finca-Szenen peinlich berührt, wir wollten das schnell erledigt haben – Strache weg, eine neue Regierung her. Alles wird wieder gut. Eine stolze Nation mit guten Menschen ließ sich in eine Katharsis zwingen: „Tut Buße. Sagt: Wir sind nicht so.“ Wir machten dabei mit, auch wenn gewisse Zweifel an der Korrektheit der Vorgänge blieben, auch wenn der kriminelle Odeur des ganzen „zivilgesellschaftlichen Projekts“ schon 2019 gut zu riechen war.

Jetzt liegen endlich alle Video-Teile vor, sieben Stunden aus verschiedenen Geheimkameras. Jetzt ist alles zu sehen, alles ist zu beurteilen – das Gesagte, aber auch was nicht ausgesprochen wurde. Damit Sie dieses Komplett-Paket für Ihr persönliches Urteil sehen können, musste erst eine neue Web-Tageszeitung gegründet werden – ohne eXXpress hätte es diese nötige Veröffentlichung vielleicht nie gegeben. Das sagt auch viel über die heimische Medienszene.

Auch in diesem Gesamtbild kommt Heinz-Christian Strache nicht besonders gut weg. Aber er sagt sehr oft, dass er sicher nichts Illegales machen werde. Das wurde uns am 17. Mai 2019 nicht gezeigt. Warum? War keine Zeit für journalistische Fairness? Oder hätte dann das gezeigte Filmchen nicht mehr so ganz den beabsichtigten Zweck erfüllt?

Bei vielen von uns bestärkt sich nun das Gefühl, dass mit uns, mit unserem Land, mit unserem Österreich ein böses Spiel gespielt wurde. Nach dem Veröffentlichungs-Theater im Frühjahr 2019 folgten für uns Regierungskrise, monatelanger Regierungsstillstand, dann Neuwahlen – und damit Millionenkosten.

Wollen wir das jetzt so einfach hinnehmen?