Dieser Tage dürften sich wohl nicht wenige Salzburger an das Jahr 2016 erinnert fühlen, denn die Ausgangslage war ähnlich. In den Vormittagsstunden eines Junimorgens tauchten plötzlich Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Magistrat auf und durchsuchten mehrere Räumlichkeiten – darunter auch das Büro von SPÖ-Bürgermeister Heinz Schaden. Der rote Stadtchef saß damals fest im Sattel, regierte seit 1999 und erfreute sich außerordentlicher Beliebtheit bei den Bürgern.

Es tat seiner Popularität auch keinen Abbruch, als bekannt wurde, dass ihm die Korruptionsermittler Untreue in der sogenannten Swap-Affäre vorwarfen – einem Nebenschauplatz des Salzburger Finanzskandals. Schaden soll, so lautete damals die Anklage, in Eigenregie sechs negativ bewertete Swap-Geschäfte aus dem Portfolio der Stadt dem Land übertragen haben. Minuziös listete der Akt E-Mails, Outlook-Termine und private Nachrichten auf, die scheibchenweise über Medien an die Öffentlichkeit gespielt worden sind. Schaden bestritt seine Schuld stets und seine Wähler hielten ihm zugute, dass er sich ja nicht selbst bereichert hatte und er mit dem Deal nur Unheil von der Stadt abgewendet hat (zum Nachteil des Landes freilich). Lange hat es so gewirkt, als könne der Stadtchef durch die Ereignisse nicht in Turbulenzen geraten – doch der Eindruck täuschte.

Besonders die Opposition witterte ihre Chance auf einen Machtwechsel und packte alle demokratischen Werkzeuge auf den Tisch, die ihnen zur Verfügung standen: Untersuchungsausschüsse, Pressekonferenzen, Sondersitzungen, intensive Medienarbeit, Hintergrundgespräche – beinahe täglich wurde das Thema, oft begleitet von neuen Enthüllungen und Schlagzeilen, auf die politische Tagesordnung gesetzt, obwohl die Causa hochgradig kompliziert war.

Politisches Erdbeben

Schaden blieb die ganze Zeit über relativ gelassen, als aber die Ermittlungen 2017 nicht wie erhofft eingestellt worden sind, wendete sich das Blatt allmählich: Er blieb trotz Untreue-Anklage im Amt. Dafür hatte freilich nicht jeder Verständnis, doch der Stadtchef war weiterhin von einem Freispruch überzeugt – zu konstruiert, zu vage sei die Anklage. Erschwerend kam hinzu, dass sich die Gutachter über die tatsächliche Schadensumme nicht einig waren, manch einer negierte sogar Verluste.

Mehrere Tage dauerte der Prozess in einem Ausweich-Quartier des Landesgerichts Salzburg. Der Ankläger war WKStA-Staatsanwalt Gregor Adamovic, der Beobachtern als gewiefter Taktiker auffiel und zuletzt auch bei der Befragung von Sebastian Kurz beteiligt war. Außerhalb der Verhandlung gab sich der Jurist eher wortkarg, suchte nicht das Scheinwerferlicht, wie man es manchmal von Anwälten kennt, sondern rauchte zügig eine Zigarette, um dann zurück im Saal ein verbales Dauerfeuer zu eröffnen. Schuldspruch. Ein Jahr unbedingte Haft. Und der mittlerweile längst überfällige Rücktritt folgten. Sowie ein politisches Erdbeben. Nach Jahrzehnten an der Macht musste die SPÖ schließlich das Bürgermeister-Büro für den schwarzen Stadtvize räumen. Das ruhmlose Ende eines stolzen roten Kapitels.

Die Opposition wird ihre Angriffe intensivieren

Rückblickend hat Schaden damals einen Fehler gemacht. Er hat die Dynamiken, die solche Ermittlungen langfristig auslösen können, etwa bei der politischen Konkurrenz, bei Medien, aber auch in der Öffentlichkeit, sträflich unterschätzt. Klüger wäre es gewesen, sich rechtzeitig aus der Schusslinie zu bringen und damit auch die Partei vor einem drohenden Absturz zu bewahren.

Dass Sebastian Kurz am Samstagabend seinen Rücktritt verkündet hat, war daher die richtige Entscheidung. Rational, weitsichtig, staatsmännisch – so wie man ihn kennt und wie ihn sehr viele Bürger in Österreich schätzen. Dennoch wird die Opposition nichts unversucht lassen, ihn in dieser Lage nachhaltig zu beschädigen. Das Thema muss immerhin am Köcheln gehalten werden – um jeden Preis. Und auch für die Ermittler steht viel am Spiel. Es wäre daher leichtsinnig zu glauben, Kurz macht jetzt nur ein paar Wochen Pause und kann dann ins Kanzleramt zurückkehren. Die Zeiträume werden wohl vielmehr Monate, vielleicht sogar Jahre sein…