Das Engagement des österreichischen Kanzlers für eine Friedens-Lösung im Ukraine-Konflikt ist beachtlich: Am Samstag war Karl Nehammer (ÖVP) nach einer zwölf Stunden langen Zug-Reise zu vertraulichen Gesprächen mit dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenksyj nach Kiew gereist. Montag dann der international viel beachtete Besuch von Nehammer in Moskau bei Wladimir Putin – der Kanzler war bisher der einzige Staatschef der EU-Nationen, den Putin nach Beginn der Invasion der Ukraine (24. Februar) empfangen hat.

Und nun hat Nehammer an diesem Donnerstag mit noch einem jener Staatsmänner gesprochen, die sehr viel zu einem Waffenstillstand in der Ukraine beitragen können: Per Skype berichtete Österreichs Kanzler dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von den bisher geführten Gesprächen mit Selenskyj und Wladimir Putin – und über deren bisher vertraulich gehaltenen Bedingungen für einen Friedensschluss.

Erdogan und Nehammer hoffen auf humanitäre Korridore

Schon vor der Reise des Bundeskanzlers nach Moskau hatte ein Telefonat mit Erdogan stattgefunden. In ihrem heutigen Telefonat waren sich beide einig, dass der Istanbuler Prozess die beste Chance auf Frieden ist und alles dafür getan werden müsse, dieses Format weiter voranzutreiben. Nehammer bot dem türkischen Präsidenten die aktive Unterstützung des neutralen Österreichs dabei an.

Präsident Erdogan teilte die Einschätzungen des Bundeskanzlers, dass eine massive Offensive der russischen Armee am Donbas unmittelbar bevorsteht. Einigkeit bestand auch darin, dass dringend sichere, humanitäre Korridore geschaffen werden müssen, um die Zivilbevölkerung aus den betroffenen Gebieten – genannt wurde hier insbesondere Mariupol – zu evakuieren und humanitäre Hilfsgüter in diese Gebiete liefern zu können. Abschließend bedankte sich Erdogan bei Bundeskanzler Nehammer für die Kontaktaufnahme vor und nach dem Treffen mit Wladimir Putin.

"Tun alles, um die Lage der Menschen zu verbessern"

Der türkische Botschafter Ozan Ceyhun hält das Telefonat bereits für einen “sehr wichtigen Wendepunkt” für einen Frieden zwischen der Ukraine und Russland sowie für eine Verbesserung der türkisch-österreichischen Beziehungen.

“Österreich steht klar zu seiner aktiven Neutralitätspolitik und wir tun alles in unserer Macht Stehende, um die Situation für die Menschen in der Ukraine zu verbessern”, unterstreicht nun Nehammer. “Bei meinem heutigen Telefonat mit Präsident Erdogan wurde einmal mehr deutlich, dass der Istanbuler Prozess die beste Chance auf Frieden in Europa ist. Österreich unterstützt dieses Format und wird gemeinsam mit der Türkei und anderen Partnern daran arbeiten, dass diese Friedensgespräche weiter vorangetrieben und intensiviert werden.” Nehammer dankt dem türkischen Präsidenten für den Austausch und für seine Bemühungen um ein rasches  Kriegsende.

Über einen Waffenstillstand in der Ukraine mit drei Staatschefs in 6 Tagen verhandelt: Karl Nehammer

Putin hält viel von Erdogans Bemühungen

Dieses aktuelle Skype-Gespräch mit Erdogan könnte für eine positive Weiterentwicklung der Friedens-Initiative entscheidend sein: Wladimir Putin selbst erwähnte bereits gegenüber Nehammer in Moskau die Bemühungen von Recep Tayyip Erdogan positiv. Der türkische Staatsschef könnte nun mit dem Wissen über Wolodymyrs Selenskyjs tatsächliche Vorstellungen für Waffenstillstands-Bedingungen den Friedensprozess beschleunigen.

Auch die aktuelle Versenkung des Lenkwaffenkreuzers “Moskwa” könnte dazu beitragen, dass die russische Seite eher bereit für ein Einlenken auf akzeptable Waffenstillstandsbedingungen mit territorialen Zugewinnen ist.

Gelingt in diesen Stunden jedoch keine Deeskalation, wird die russische Armee mit ihrer Großoffensive im Donbass-Gebiet, im Zentrum der 1800 Kilometer langen Front, beginnen. Und das würde den Tod von weiteren tausenden Soldaten auf beiden Seiten bedeuten.

Telefonkonferenz heute mit Nehammer: Recep Tayyip Erdogan