Russlands Präsident Wladimir Putin hat in der Nacht auf Donnerstag eine “Militäroperation” im Donbass angekündigt. In den sozialen Netzen kursieren bereits Aufnahmen vom Angriff.

Putin will den Fehler Stalins nicht wiederholen

“Ich habe die Entscheidung für eine Militäroperation getroffen”, sagte Putin in seiner TV-Ansprache. Er forderte das ukrainische Militär auf, “die Waffen niederzulegen”.

In seiner Kriegserklärung verwies Putin auch auf den sowjetischen Diktator Josef Stalin: Die Sowjetunion habe 1940 und 1941 versucht, den Kriegsbeginn (mit Nazi-Deutschland, Anm.) zu verhindern oder hinauszögern und habe versucht, den Aggressor nicht zu provozieren. Das Land sei deshalb nicht bereit gewesen, um sich dem deutschen Überfall am 22. Juni 1941 mit voller Kraft entgegenzustellen. Die Versuche, den Aggressor vor dem Krieg zu beschwichtigen, erwiesen sich als teurer Fehler, erläuterte er. “Ein zweites Mal werden wir einen solchen Fehler nicht zulassen”.

Ukrainischer Außenminister: "Die Ukraine wird sich verteidigen"

Die Ukraine verkündete die Verhängung des Kriegsrechts nach Beginn des russischen Angriffs. Zweck der russischen Militäroperation sei die Zerstörung des ukrainischen Staates, teilt das ukrainische Außenministerium mit. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sprach auf Twitter von einer “groß angelegten Invasion der Ukraine”. Und: “Friedliche ukrainische Städte sind unter Beschuss. Dies ist ein Angriffskrieg. Die Ukraine wird sich verteidigen und wird gewinnen. Die Welt kann und muss Putin stoppen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.”

US-Präsident Joe Biden kündigte eine scharfe Reaktion an: “Präsident (Wladimir) Putin hat sich für einen vorsätzlichen Krieg entschieden, der zu einem katastrophalen Verlust an Leben und zu menschlichem Leid führen wird”, sagte Biden. Die USA und ihre Verbündeten würden Russland entschlossen dafür “zur Rechenschaft ziehen”.

Russland greift auch vom Süden an

Explosionen und Einschläge wurden in zahlreichen Städten gemeldet, etwa in der Ostukraine in den Städten Charkiw und Dnipro. Ebenso gibt es aber auch Berichte von Angriffen im Süden in Odessa und Berdjansk, sowie in Kramatorsk. Auch im Umfeld von Kiew kam es zu Einschlägen. Die Lage war für Beobachter unübersichtlich.

Ebenso hat eine Bodenoffensive der Russischen Armee an der Grenze zum Bezirk Belgorod in Russland begonnen. Die erste Phase sind Raketenangriffe und Artilleriebeschuss, dann werden die gepanzerten Einheiten mit ihren Hunderten von T-72 und T-80 Panzern einrücken und sich in Richtung Kharkiv bewegen.

Amphibische Landungsschiffe der Baltischen Flotte der Russischen Marine sowie ihre Pendants der Schwarzmeerflotte nähern sich unterdessen der Küstenstadt Odessa in der Ukraine. Sie haben Hunderte von Russischen Marinesoldaten und ihre gepanzerten Mannschaftswagen und Panzer an Bord.

Putin nennt "Entmilitarisierung und Entnazifierung der Ukraine" als Ziel

Putin sprach von einer “speziellen Militäraktion”, die “auf die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine abzielt.” Und er droht allen Unterstützern der Ukraine: “An alle, die in Erwägung ziehen, sich von außen einzumischen: Wenn Sie das tun, werden Sie mit Konsequenzen konfrontiert, die größer sind als alle, die Sie in der Geschichte erlebt haben. Alle relevanten Entscheidungen sind getroffen worden. Ich hoffe, Sie hören mich.”

Russland plant nach Angaben Putins nicht, ukrainisches Gebiet zu besetzen. Allerdings wolle man die Ukraine entmilitarisieren und “denazifizieren”. Russland werde nicht zulassen, dass in der Ukraine Atomwaffen auftauchten, sagte Putin. Mit seiner Anordnung eines Einsatzes in den abtrünnigen Regionen Luhansk und Donezk entsprach Putin einer schriftlichen Bitte der Chefs der sogenannten Volksrepubliken um Beistand gegen die ukrainische “Aggression”, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Der Kremlchef marschiert nun zum zweiten Mal nach 2014 in der Ukraine ein. Fox News berichtete unterdessen von Explosionen in Kiew und Schüssen in der Nähe des Flughafens der ukrainischen Hauptstadt. Auch in der Hafenstadt Mariupol seien Explosionen zu hören.

Unzählige Cyberangriffe

Wichtige Websites der ukrainischen Regierung waren kurz vor Beginn der Invasion außer Betrieb. Zuvor hatte es Cyberangriffe gehagelt. Die wichtigsten Websites der ukrainischen Regierung waren am frühen Donnerstag (Ortszeit) nicht erreichbar, darunter die Websites sämtlicher Ministerien.

Bei einem separaten und möglicherweise schwerwiegenderen Hackerangriff wurde Stunden zuvor ein Tool zum Löschen von Daten auf Hunderten von Computern in der Ukraine gefunden, wie Cybersecurity-Forscher berichteten, was die Befürchtung aufkommen ließ, dass sich inmitten der militärischen Eskalation Russlands ein zerstörerischer Cyberangriff entwickelt.

Warnsignale kurz vor Start der Offensive

Mehrere zivile Flugzeuge wurden zuvor von Kiew weggeleitet worden. Bevor Russland seine Invasion startete, war der ukrainische Luftraum fast völlig leer und für die zivile Luftfahrt vollständig gesperrt.

In den Stunden zuvor belegten Aufnahmen, wie sich Panzer und Soldaten in Richtung der ukrainischen Grenze bewegen.