Als “Polonius” hat die Mutter des Ibiza-Haupttatverdächtigen ihren Sohn Julian Hessenthaler (40) in ihrem Mobiltelefon eingespeichert. Doch so listig wie der königliche Berater im Shakespeare-Klassiker “Hamlet” war der Sicherheits-Experte nicht wirklich: Buchhaltungsunterlagen, die der aktuell weiter in Untersuchungshaft sitzende mutmaßliche Drogen-Kriminelle nicht vernichtet hat, verrieten der Soko “Tape” des Bundeskriminalamts auch seine Wege und Aufenthalte kurz vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos am 17. Mai 2019.

Diese sichergestellten Dokumente könnten nun aufklären, warum Jan Böhmermann bereits am 11. April 2019 klare Andeutungen über das erst ein Monat später tatsächlich veröffentlichte Ibiza-Video machen konnte: Auf Seite 16 des 40-seitigen, bisher vertraulichen Endbericht zum Video-Krimi, der nun der eu-infothek.com und dem eXXpress vorliegt, berichten die Kriminalisten über ein mögliches Treffen von Hessenthaler mit dem deutschen TV-Komiker. Zitat: “Hessenthaler hat sich Anfang April 2019 in Köln aufgehalten. Das TV-Format von Böhmermann wird ebendort aufgezeichnet.” Und: “Es wird anzunehmen sein, dass Hessenthaler selbst an Böhmermann herangetreten ist, um diesen entsprechende Informationen zugänglich zu machen.”

Auf Seite 16 im Endbericht der Soko "Tape": Jan Böhmermann

Böhmermann kennt Video-Inhalt 5 Wochen vor der Veröffentlichung

Die meisten Österreicher erinnern sich noch an die Andeutungen des Deutschen, der für die Romy-Gala im Palais Wertheim eine Video-Botschaft gesandt hat: “Während Sie jetzt gerade die Gala genießen, Sekt trinken, feine Schnittchen essen, und charmant versuchen, Gernot Blümel nicht spüren zu lassen, wie sehr Sie ihn verachten, hänge ich gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchenvilla auf Ibiza herum – und verhandle darüber, ob und wie ich die Kronen Zeitung übernehmen kann und die Meinungsmache in Österreich an mich reißen kann.”

Der Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland soll also laut österreichischem Bundeskriminalamt fünf Wochen vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos von diesem Erpressungs-Material, das im Mai 2019 eine Bundesregierung in Wien sprengte und nun. im Herbst 2021, auch noch indirekt Kanzler Sebastian Kurz zweieinhalb Jahre später zum Rückzug zwang, konkret von einem der Mittäter informiert worden sein.

Julian Hessenthaler muss sich am Landesgericht St. Pölten wegen des mutmaßlichen Handels mit mehr als einem Kilo Kokain verantworten

Kennt Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Erpressungsmaterial - und erstattet keine Anzeige?

Diese jetzt offiziell bestätigte Information hat enorme Brisanz: Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wussten also von Belastungsmaterial, das Österreich in eine Regierungskrise stürzte – und schützten die Tatverdächtigen, die bei diesem undemokratischen Regierungs-Change für die Planung und Ausführung verantwortlich waren. Auf alle Fälle jenen Mittäter, der als mutmaßlicher Drogenkrimineller aktuell in St. Pölten vor Gericht steht.

“Bei lebensnaher Betrachtung ist es kaum vorstellbar, dass nicht auch schon seit April 2019 der deutsche Verfassungsschutz von diesem Video gewusst hat”, meint ein Nachrichtendienst-Insider im eXXpress-Gespräch. Der Verdacht liegt somit nahe, dass offizielle deutsche Stellen den Sturz der türkis-blauen Bundesregierung im Mai 2019 zumindest geduldet haben. Ebenso ist die Inaktivität des österreichischen Verfassungsschutzes BVT (jetzt DSN) in den Wochen von Böhmermanns klarer Andeutung bis zur Video-Veröffentlichung “sehr seltsam”, meint der Geheimdienst-Experte: “Ich dachte ja immer, der Staatsschutz hat die Aufgabe, den Staat vor verfassungsrechtlich nicht legitimierten Angriffen zu schützen.”

Jan Böhmermann kritisierte auch immer hart Sebastian Kurz

Ebenfalls seltsam: Handy des zweiten Haupttatverdächtigen bisher nicht ausgewertet.

Der brisante Kripo-Endbericht zur Ibiza-Video-Causa deckte übrigens auch auf, dass auch die Mobiltelefone des Haupttatverdächtigen Ramin Mirfakhrai, des sogenannten Ibiza-Anwalts, nicht ausgewertet worden sind. Ebenso ignorierte die Justiz auch die Inhalte der Handys anderer Verdächtiger und wichtiger Zeugen in diesem Fall.

Drei Fragen drängen sich damit auf: Wer hat die Macht, das alles so zu veranlassen? Wer soll mit diesem Nicht-Ermitteln geschützt werden? Und warum wird die Justizministerin nicht sofort aktiv und zwingt die ihr weisungsverpflichtete Staatsanwaltschaft zu intensiverem Handeln?