Microsoft, Apple, Google, Facebook und Amazon: Die „Big Five“ sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. „Spätestens Ende 2022 kam womöglich ein sechster großer Player zu den genannten ‚Big Five‘ dazu: OpenAI“, sagt der Kommunikationsforscher und Medienwissenschaftler Stefan Weber auf seinem Blog. Er meint jenes US-Unternehmen, das Künstliche Intelligenz (KI) erforscht und kürzlich ChatGPT vorgestellt hat. Mit diesem Programm können Nutzer natürlich klingende Konversationen in Echtzeit in Form von Chatbots erstellen.

Frei zugänglich: Das ChatGPT-Logo auf einem Smartphone. (Im Hintergrund ist das OpenAI-Firmenlogo zu sehen.Rafael Henrique/SOPA Images/LightRocket via Getty Images

Hart ins Gericht geht Weber mit der Reaktion der EU. Sie betätige sich neuerlich als „Oberreaktions und -Regulierungsbehörde“, die in KI eingreifen will. Dabei verweist Weber auf das mehrfach überarbeitete Gesetz über KI, das am 6. Dezember 2022 auf den Weg gebracht wurde „übrigens kurz nach dem Release von ChatGPT“. Das 200-seitige Papier sei „im bekannten EU-Bürokratendiskurs“ von „einer weitgehenden Abwehrhaltung getragen“. Wieder einmal wird primär auf die Gefahren hingewiesen.

Warnung vor KI, die zu „unerwünschten Verhaltensweisen“ führt

In Absatz 16 geht es sogar um das Verbot bestimmter KI-Systeme. Wörtlich heißt es dort: „KI-gestützte manipulative Techniken können dazu verwendet werden, Personen zu unerwünschten Verhaltensweisen zu bewegen oder sie zu täuschen … . Das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme oder die Verwendung bestimmter KI-Systeme, die menschliches Verhalten wesentlich beeinflussen, und die zu physischen oder psychischen Schäden führen dürften, sind besonders gefährlich und sollten dementsprechend verboten werden.“

Stefan Weber hält das für absurd. Die EU müsste dann ebenso neuro-linguistisches Programmieren verbieten, und „überhaupt Rhetorik-Trainings vor allem für Politiker, ja generell Lügner und Manipulanten in politischen und sonstigen Führungsfunktionen. Verbietet alle Social Media-Algorithmen. Verbietet Computerspiele.“ Die EU bewege sich „in die falsche Richtung“.

Stefan Weber ist Kommunikations- und Medienwissenschaftler, darüber hinaus österreichweit vor allem als Plagiatsjäger bekanntJoachim Bergauer

Im Internetzeitalter gerät Europa zunehmend ins Hintertreffen

Schon seit vielen Jahren erzeuge die EU mit ihren immer wiederkehrenden Regulierungsfantasien Kopfschütteln. Ihr Hauptproblem sei „eine rückwärts gewandte Technophobie“. Wichtig sei aber vielmehr intelligente Nutzung statt Verbotsfantasien. „Aber dafür wäre Voraussetzung, dass intelligente Menschen die Gesetze (mit)bestimmen. Und wir dann intelligent über die Nutzung der Systeme diskutieren.“

Dass Europa in den vergangenen 30 Jahren im digitalen Sektor zunehmend zurückgefallen ist, verwundert Weber nicht. Die EU habe stets „reagiert und reglementiert“. Weber nennt zwei Beispiele. „Zunächst machte man sich mit Versuchen von ‚europäischen Antworten‘ auf Google wie Quaero oder Europeana lächerlich – so, als wäre eine Suchmaschine … etwas lokal Begrenztes“.

Dann kam die „Datenschutz-Grundverordnung“, kurz DSGVO: So hat man alle im Internet surfenden Menschen gezwungen, die jeweiligen Cookies Policies anzunehmen oder abzulehnen. Entstanden sei ein „weitgehend überflüssiges Monstrum“.