Angesichts der aktuellen Entwicklungen sieht Sebastian Kurz keine Diskussionsgrundlage für einen Abschiebestopp nach Afghanistan. Das bekräftigte der Bundeskanzler am Mittwoch erneut gegenüber dem eXXpress: “In einer Situation wie dieser sehe ich hierfür keinerlei Grundlage.” Er warnte in diesem Zusammenhang vor einer falsch verstandenen Toleranz. Im Vordergrund müssen die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher stehen. “Einen Abschiebestopp nach Afghanistan wird es nicht geben.”

Auslöser war ein nicht abgestimmter Vorstoß der Grünen Justizministerin Alma Zadic vor einigen Tagen: Sie hatte sich öffentlich gegen Abschiebungen nach Afghanistan ausgesprochen. Dass Flüchtlinge dorthin gebracht werden, sieht sie sehr kritisch. Ohne das Innenministerium direkt anzusprechen, verlangte sie eine Evaluierung und, die entsprechenden Stellungnahmen des UNHCR zu berücksichtigen.

Kein Verständnis

Die Debatte darüber war neuerlich entbrannt, nachdem bekannt wurde, dass einem der beiden tatverdächtigen Afghanen im Mordfall um die 13-jährige Leonie in Wien-Donaustadt sein Status als “subsidiär Schutzberechtigter” längst entzogen worden ist, nachdem er mehrfach straffällig geworden war. Dagegen hatte der mittlerweile 18-Jährige im Jahr 2019 beim Bundesverwaltungsgericht berufen  – dieses Verfahren ist noch immer anhängig.

Die Sicherheitslage in Afghanistan lässt gemäß der geltenden Judikatur Rückführungen nach Einzelfallbeurteilung zu. Dabei werden jeweils aktuelle Informationen über die Situation im Herkunftsland berücksichtigt. Rückführungen nach Afghanistan sind kein österreichisches Spezifikum, sondern EU-weite Praxis. Alleine im Jahr 2021 nahm Österreich an 4 FRONTEX-Charteroperationen nach Afghanistan teil. Dabei wiesen von 52 aus Österreich rückgeführten Personen 33 Personen eine strafrechtliche Verurteilung auf, das entspricht rund 63 Prozent. Insgesamt waren im Zeitraum von Mai 2018 bis Mai 2021 rund 37 Prozent der zwangsweise außer Landes gebrachten Personen mit afghanischer Staatsangehörigkeit mindestens einmal strafrechtlich verurteilt worden.

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