Manchmal “weiß” man es einfach – wenn ein Moment, ein Mensch, ein Erlebnis oder ein Ort einfach “der oder die richtige” sind. Ganz besonders und unvergesslich, unvergleichlich und einzigartig. Liebende, Verlobte und Verheiratete sprechen so von ihren Partnern, Künstler von ihren Musen, erfolgreiche Menschen manchmal von Wendepunkten ihrer Karriere – und auch ich habe dieses Gefühl bereits erleben dürfen. Bei einer Hand voll auserlesenen Freunden, mit denen mich ein tiefes Band verbindet zum Beispiel. Bei meinen Haustieren – meiner Hündin aus Bulgarien habe ich nur von einem Foto angesehen, dass sie “mein” Hund ist – und bei einem magischen Ort: Südfrankreich. Genau dort befinden wir uns im zweiten Teil meines Berichtes nun wieder, liebe Leser – oder gerade eben, denn als der erste Teil des Reiseberichts meiner allerersten “Singlereise” nach Nizza endete (nicht gelesen? Hier gehts zu Teil 1), war ich ja gerade erst im Hotel angekommen, nachdem ich meinen vielen Erinnerungen an vergangene Besuche der französischen Riviera nachgehangen und meine Gedanken und Erwartungen sortiert hatte.

Wobei Erwartungen ein exzellentes Stichwort ist: Denn genau so, wie ich in Nizza einfach “wusste”, dass dieser Ort mein ganz persönliches Seelenplätzchen ist, wusste ich im Vorfeld dieser spontanen Reise so überhaupt nicht, was ich tun würde, wenn ich erstmal dort war. Die Erwartungen waren hoch und würden nicht enttäuscht werden, weil Nizza mich einfach nicht enttäuschen kann, dachte ich – aber bedeutete dies in gewisser Art und Weise auch, dass es dieser mir so lieb gewonnene und bereits bekannte Ort mich auch nicht mehr überraschen könnte? Viele wichtige, klassische “Touri-Highlights” hatte ich bereits abgehakt, für ein Bad im Meer war es Ende März – kurz vor Beginn der eigentlichen Saison – noch zu frisch, und überhaupt war es zumindest laut Wettervorhersage ungewöhnlich regnerisch. “Quo vadis in Nicaea”, fragte sich das, was von der Lateinerin und Althistorikerin aus Schul- und Studienzeiten von mir übrig geblieben war, als ich mein leichtes Gepäck – mein Koffer war mehr als halb leer – in meinem putzigen Hotelzimmer im “Palm Hotel” abgelegt und mich kurz frisch gemacht hatte.

Vor mir auf dem Bett ausgebreitet lag ein – passend zur blauen Küste –  marinefarbenes Stoffsackerl samt Inhalt, das mir eine liebe Freundin beim Frankreich-Tourismus organisiert hatte. Sie weiß aus erster Hand von meiner ans Absurde grenzenden Liebe für “toutes les choses francaises”, also alles was auch nur irgendwie Französisch ist. Das inkludiert auch Touri-Merchandise. Bei diesem kleinen Begrüßungsgeschenk handelte es sich aber um mehr – einen kleinen “Rocket-Starter” für die Zeit an der Cote d’Azur quasi. Neben dem obligatorischen Kugelschreiber enthielt die “Goodie Bag” eine Karte der Stadt, Broschüren für spannende Sehenswürdigkeiten, Restaurantempfehlungen und Touren in der Umgebung sowie den “magischen Schlüssel” zu all diesen Dingen: Den French Riviera Pass. Mit diesem Pass im Kreditkartenformat erhält man für 24, 48 oder 72 Stunden kostenlos Eintritt zu vielen Highlights der Riviera in und um Nizza, sowie zahlreiche Vergünstigungen bei Erlebnisbuchungen wie Weinverkostungen, Bootsfahrten oder Partnerbetrieben wie beispielsweise dem ikonischen Parfumeur “Fragonard”.

Den wertvollen 48-Stunden Riviera-Pass ließ ich in den ersten Stunden nach meiner Ankunft allerdings noch “daheim” im Hotelzimmer – und machte mich auf, um das zu tun, was ich am allerliebsten mache, wenn ich in Nizza – oder generell auf Reisen angekommen bin: “Me promèner” – herumflanieren, spazieren ohne konkretes Ziel, lustwandeln. Vom Wort “promener” kommt übrigens auch eine der wichtigsten “Attraktionen” in Nizza, und der erste Ort, an den mich meine Füße wie von selbst führen: die “Promenade des Anglais”. Das Entlangspazieren an dieser Strandpromenade, die sich vom Ende des Flughafenfeldes bis zur Innenstadt zieht – und die “Croisette”, das entsprechende Pendant in Cannes, wo sich nur wenige Wochen nach meiner ruhigen Reise in Nizza Weltstars tummeln würden – ist ein absolutes “Must Do” bei jedem Nizza-Besuch.

Es hat etwas Unwirkliches und Befreiendes, mit einer frischen salzigen Brise im Gesicht und den atemberaubenden Prachtbauten zwischen Historismus, Jugendstil und Art Déco der Stadt auf der eine, sowie dem unendlichen Blau des Meeres auf der anderen Seite die schier endlose Promenade entlang zu schlendern. Diese Promenade, die bereits von so vielen faszinierenden Persönlichkeiten – berühmt oder unbekannt – begangen wurde. Dabei begegnet man jedem Schlag von Mensch: Jung und Alt, Einheimischen und Fremden, Gassigehern und Power Walkern, Hobby- und Extrem-Sportlern…Läufern oder Inlineskatern, die den breiten Ebenen Beton der langen Promenade für Parcours-Übungen ebenso schätzen wie Straßenkünstlern, die an den Abenden der Hauptsaison direkt neben den gebräunten Beinen und staunenden Augen der Touristen ihre Kunstwerke auflegen. Indessen tönt aus Ghettoblastern Musik – internationale sowie französische, Rap aus den Banlieues von Paris und staatenloser EDM-Tropical House, der genauso in einen Club in Ibiza passt.

Über den Köpfen aller kreisen Möwen, die mit ihren Schreien Akzente zum bunten Treiben der Menschen setzen. An der Promenade aufgereiht stehen auch sets die typischen “blauen Sessel” bereit: Mit Blickrichtung aufs Meer laden sie zum Verweilen ein. Die “chaises bleues” findet man – im Taschenformat – als Andenken in den Galerien der Altstadt ebenso wie in den x Tourismusfallen an jeder Ecke. Aber durch meine “rosé”-gefärbte Brille der innigen Frankreichliebe erscheint mir selbst dieser Kitsch weniger…kitschig. Und edler, feiner, geschmackvoller als anderswo.

À propos Rosé: Der schmeckt mir in Nizza natürlich auch viel besser als anderswo. Wenig verwunderlich auch – denn nirgendwo sonst hat ein Rosé-Fan der allerersten Stunde den einzigartigen Luxus, im Supermarkt um die Ecke – seien es die Großen wie “Monoprix”, “Casino” oder “Carrefour” oder der putzige Greisler aus der Gasse um die Ecke – ganze Regalwände (!) voller Rosé-Variationen zur Auswahl vorzufinden.

An dieser Stelle gestehe ich auch ein, dass ich eine Schwäche für die fruchtigen Mischungen aus der Gegend habe, die vielleicht nicht ganz so edel sind – aber dafür sehr viel Spaß machen. Die Weine, die Rosé mit Himbeer oder Zitrusfrucht mischen und dann zu so lustigen Namensgebungen wie “Very Pamp” (von “pamplemousse”= Grapefruit) führen. Mein 19-bis 21-jähriges Ich hat es genauso geliebt wie mein 32-jähriges Ich es heute tut.

Und letzteres Ich sucht in Frankreich auch immer noch Weine nach dem schönsten Etikett aus, weil die endlose Auswahl mich sonst schon allein vom Hinsehen betrunken machen würde. Mit so einer Flasche – und einem Snack, vorzugsweise einer kleinen frischen Quiche aus der Boulangerie um die Ecke, einer klassischen Nizza-typischen “Socca” oder einem Stück Pizza aus der günstigsten Gassen-Pizzeria der Altstadt (“Pizza Pili“, hier trifft sich nach Sonnenuntergang auch jeder – und sie weckt liebe Erinnerungen aus Low-Budget-Studentenzeiten) – lässt es sich übrigens wundervoll am Strand picknicken. Nur Achtung: Nizza hat im Gegensatz zu anderen Küstenstädten der französischen Riviera wie Cannes oder Antibes keinen Sandstrand, sondern einen Steinstrand. Wer also – so wie ich – einen empfindlichen Popo hat, der nimmt am besten eine Jacke oder eine Decke mit, um sich weicher zu “betten”.

Wen der kleine Hunger überkommt dem wird in der Altstadt und auch am Marktplatz mehr als genug Möglichkeit dazu geboten, seinen Gusto zu stillen. Will man so richtig "à la nicoise" snacken, dann macht man das am besten mit einer frischen "Socca" - der für die Stat typischen Kichererbsenflade. Die Eigentümer von "Socca Theresa" haben sogar neben ihrem kleinen Snack-Restaurant auch einen kleinen Wagen, mit dem sie täglich am Marktplatz vertreten sind. Tipp: Mit dem Riviera Pass isst man bei "Theresa" eine Socca gratis!R.Bartik

Ein Gläschen Rosé im Laufe des Abends aufzutreiben war auch einer der wenigen konkreten Pläne, die ich an meinem ersten Tag in Nizza hatte – doch nach meinem Spaziergang an der Promenade führte mein Weg mich zuerst auf den “Cours Saleya”, den so bunten wie ikonischen Marktplatz von Nizza, der jeden Tag belebt ist. Während hier unter tags vor allem farbenprächtige Blumen – und auch Obst und Gemüse sowie andere regionale Produkte wie Lavendel, Olivenöl oder Seifen –  feilgeboten werden, wandelt sich der Marktplatz an Abenden in der Hauptsaison zum großen kollektiven Schanigarten der Restaurants und Cafés, die den Marktplatz säumen.

In den Sommermonaten gesellt sich zu den Ständen des Blumenmarktes auch eine Vielzahl an Marktständen hinzu, die schöne Dinge aller Art anbieten – vor allem Schmuck und Modeartikel und kleinere Produkte der örtlichen Handwerkskunst – einfach besondere Mitbringsel aller Art – finden sich dort. Meine Lieblings-“Standlerin” aus Hauptsaisonzeiten ist übrigens Brigitte L, ihre handgefertigten Schmuckstücke sind etwas ganz Besonderes – und ich habe über die Jahre schon einige Lieblingsstücke bei ihr erworben.

Mit einem weiteren Highlight wartet der Cours Saleya übrigens an Montagen auf – da verwandelt sich der gesamte Platz nämlich in einen riesigen Antiquitätenmarkt. Während Nizza bei seinen “Puces” am Hafen und im eigenen Antiquitätenviertel auch eigene “Fixplätze” für Vintage-Liebhaber wie mich hat, findet diese Seite von mir hier auch ein Stückchen Heimat wieder – es erinnert mich oft ein wenig an den samstäglichen Flohmarkt am Naschmarkt, nur…mit mehr Sonne und Meer. Und Franzosen. Die perfekte Kombination aus Wienliebe und Nizzaliebe, eben.

It's always (more than) "nice" in Nice - den Beweis muss man nicht erst auf den Handbestickten Taschen am Marktplatz suchen!R.Bartik

An meinem Ankunftstag war es aber weder Montag noch Hauptsaison, darum schlenderte ich ohne Shopping-Stopps über den Platz und ließ einfach die Stadt – “meine” Stadt – auf mich wirken. Alle Eindrücke und Gerüche waren umso intensiver, und anfangs noch umso unwirklicher und doch erfüllender bei meinem Ersten “post-Covid”-Besuch Nizzas. Der erste Tag, die ersten Stunden – egal wie kurz oder lang der Aufenthalt – gehören einfach dem Ankommen. Also gönnte ich mir diese Zeit um mich wieder ganz mit der Stadt zu verbinden, die sich mein Herz als Heimat auserkoren hat. Eine vorsichtige Annäherung zuerst, bevor ich wieder ganz ins tiefe Meer der Gefühle für diese Stadt, und die diese Stadt und diese Gegend in mir immer wieder aufs Neue auslösen, hingeben sollte. Fast so, wie ein Wiedersehen mit einem alten Liebhaber, mit dem man nie gebrochen hat, für den das Feuer nie erloschen ist.

So viel loderndes Feuer an Nizza- und (Süd-)Frankreichliebe, gepaart mit langen Stunden des Flanierens, die an der Cote vorbeiziehen wie im Flug, machten aber auch einen romantischen Luftikus wie mich sehr irdische Gefühle erleben: nämlich Hunger und Durst. Appetitanregend ist ja so ziemlich alles in Südfrankreich – von den saftigen Farben bishin zu den aromatischen Gerüchen. Und weil sich der Tag dann, wie ein Blick auf meine Uhr bestätigte, sich überraschenderweise doch vorsichtig in den Abend neigte, ließ ich mich von meiner Nase weg vom Cours Saleya und wieder hin zum Meer führen.

Beseelt von Nizza und dem tiefblauen Meer versuchte ich mein Glück, in einer der Bars mit Meerblick ein ebensolches begehrtes Plätzchen zu erhaschen um dort meinen ersten Tag mit einem petit “Apéro” – beziehungsweise einem Gläschen Rosé und einem kleinen “diner” ausklingen zu lassen, während ich das Meer und die Menschen um mich herum beobachtete. Dazu holte ich noch mein kleines Notizbuch hervor um meine Gedanken und Eindrücke zu sortieren und niederzuschreiben – ein Luxus, den ich mir zu selten gönne – und dann verzückt den Sonnenuntergang zu beobachten – ganz in dem Wissen, genau dort zu sein, wo ich sein möchte, ohne irgendwo sein zu “müssen”. Ohne Zeitdruck, ohne Stress, ohne Termine – nur ich, Nizza, meine Gedanken und ein Gläschen “Frosé”, also Rosé mit ganz viel crushed Ice. Klingt kitschig-romantisch? War es auch.

In der Kommentarspalte unter dem ersten Teil meines Reiseberichts hat mich ein werter Leser gefragt*, wie man als Frau ohne Partner Frühlingsgefühle erleben kann – oder, ich korrigiere mich, was man mit ihnen “macht”. Denn dass ich sie hatte und habe, wenn ich dort bin, ist Fakt. Aber was ich mit ihnen “mache”? Eine interessante Frage, denn für mich war und ist die Antwort sofort klar – schließlich ist Nizza einfach “mein” Ort. Mein Seelenort, meine Herzensheimat, der Platz, an dem es “Klick” gemacht hat und es immer wieder tut. Ich genieße diese Gefühle in vollen Zügen –  jedes Mal aufs Neue. Und ich bin sehr dankbar für sie.

Auch, weil meine Leidenschaft für diesen Ort mich auch immer wieder den anderen Lieben meines Lebens zusammenbringt: Der Liebe für Kunst und Kultur, für das Zeichnen und das Schreiben, für den Austausch mit Menschen anderer Kulturen und für die französische Sprache.

Nizza “reconnected” mich, wenn ich durch die Hektik meines Alltags und die Krisen dieser aufwühlenden Zeiten sehr stark “disconnected” bin. Mit meinem Reisebericht wollte ich nun also einerseits ein Selbstexperiment dokumentieren und andererseits meine Liebe für diesen besonderen Ort teilen – und Ihnen, liebe Leser, auch ein wenig Lust auf Nizza und auf einen “reconnect” mit dem Leben machen. La vie est belle – das Leben ist schön, auch in dunklen Zeiten! Daran hat mich Nizza erinnert, und diesen Reminder möchte ich gerne weitergeben. Ich freue mich darauf, in den Kommentaren zu lesen, ob mir das gelungen ist.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum die französische Riviera in mir nicht nur zu jeder Jahreszeit Frühlingsgefühle auslöst, sondern sie auch in echte Liebe für diesen Ort verwandelt hat. Und wie es bei einer echten Liebesgeschichte so ist, endet sie nie – und auch wenn dieser Reisebericht sehr wohl ein Ende hat, ist er hier noch nicht (ganz) gekommen. Aller guten Dinge sind drei, so heißt es ja – also sehen und lesen wir uns noch ein letztes Mal wieder, bevor sich der französische Frühling ganz dem Sommer ergibt. À bientot!

(*…und zu meiner Verzückung hat der nette Leser auch eigene Nizza-Highlights geteilt, ein großes Merci dafür! Für den nächsten Nizzabesuch, der bestimmt bald kommen wird, sind sie bereits notiert!)