Aktualisierungshinweis:

Dieser Artikel wurde um 14:00 mit den Statements von Pamela Rendi-Wagner, Gernot Blümel und Helmut Kern sowie ersten Details zur interimistischen Nachfolge Schmids ergänzt.

Außerdem wurde ein Fehlerteufel in diesem Artikel bereinigt – Dankesehr an unsere aufmerksamen Leser und Kommentatoren für den Hinweis!

Als “längst überfällig” haben die Oppositionsparteien SPÖ, NEOS und FPÖ aber auch die Grünen den Rücktritt von ÖBAG-Chef Thomas Schmid am Dienstag im Untersuchungsausschuss bezeichnet. ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger sah darin hingegen eine “höchstpersönliche Entscheidung”. Schmid habe “hervorragende Arbeit” geleistet und sei “letztlich an der Veröffentlichung privater Chats gescheitert”, so Hanger.

SPÖ und NEOS einig: "Rücktritt längst überfällig"

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner meinte heute, der Abgang von Schmid sei “mehr als überfällig”. “Unsere Republik ist kein Selbstbedienungsladen.” Die Chat-Protokolle hätten sie betroffen gemacht und sogar schockiert. Auch für SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer hätte der Rücktritt “eigentlich vor Monaten erfolgen müssen”. Kritik übte er am Aufsichtsrat, dieser habe “zu spät” gehandelt und sei im Grunde “Teil des Problems”, weil dieser versucht habe “seit Monaten zuzudecken, was nicht mehr zuzudecken war”. Für Krainer ist auch der Aufsichtsrat “längst rücktrittsfällig”. NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper sah als Grund für den Rücktritt, den sie ebenfalls als “überfälligen Schritt” bezeichnete, die Konsequenz der Arbeit des U-Ausschusses: “Endlich hat der Aufsichtsrat Verantwortung übernommen.” Nun brauche es eine Neuaufstellung mit einer Doppelspitze, die im Interesse der Republik arbeitet und das Interesse der Steuerzahler vertritt.

FPÖ-Hafenecker sieht "Kurz' Familie zerbröseln"

“Offensichtlich zerbröselt gerade die Familie von Sebastian Kurz”, meinte FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker. Schmid wie auch Ex-VfGH-Richter Wolfgang Brandstetter hätten beide im “türkisen Netzwerk” eine “wesentliche Rolle” gespielt. Der Rücktritt des suspendierten Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek sei “längst fällig”. Auch für Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli habe der Aufsichtsrat “spät aber doch Konsequenzen gezogen”. Das, was durch die Chats bekannt wurde, können nicht “im Sinn der Republik sein”. Der U-Ausschuss liefere stetig “Belege und Beweise”, welches System unter Türkis-Blau geherrscht habe. “Und sie werden immer mehr”, so Tomaselli, die auch weitere Rücktritte nicht ausschließen wollte.

Häme von Franz Schnabl (SPÖ)

Tomassellis Meinung, dass dies nicht der letzte Rücktritt gewesen sein wird, teilt auch der NÖ-Landeshauptmann Stellvertreter Franz Schnabl, der dem Rücktritt Schmids gleich eine Flut schadenfroher Meldungen auf Twitter meldete. So dankt er etwa Schmids Handy für “seine Verdienste an der Republik” und fragt: “Wer vorbereitet Schmid jetzt auf sein Pöbel-Leben?”

Zynische Kommentare von Journalisten und Brandstätter als Prophet

Neben der objektiven Berichterstattung wurden kurz nach Bekanntwerden von Schmids Rücktritt schnell auch subjektive Medienstimmen laut: Eine der ersten, die ihre Meinung zum Abdanken des nun Ex-ÖBAG-Chefs kundtat, war Martina Salomon. In einem Kommentar beschreibt die “Kurier”-Chefredakteurin die Entscheidung als “einzig richtigen Schritt” und die vorangegangenen, veröffentlichten Chats als “schwere Beschädigung” seines Amts beziehungsweise “der gesamten Politik”. Salomon prangert aber auch die “Menschenhatz” gegen Schmid, die in Folge der Öffentlichmachung der teils sehr pikanten Chatinhalte  (Stichwort “Pöbel”) an und fordert in einem Seitenhieb Ministerin Zadic auf, die Twitter-Häme zu thematisieren.

Die Art und Weise, wie sie das tut, wird allerdings auch gerade auf Twitter thematisiert und hat Potenzial zum nächsten Shitstorm, wie Polit-Kommentator Jonas Vogt meint:

Falter-Chefredakteur Florian Klenk kommentierte Schmids Rücktritt nur mit: “Oh. Schmid ist weg. Bin gespannt was der Background ist”

Kommentierte ebenfalls: NEOS-Politiker Helmut Brandstätter, der selbst wegen Zahlungen der teilstaatlichen OMV an seine Ehefrau massiv unter Druck steht, erinnerte an einen Strafrahmen . . .

Druck auf Blümel und Kurz erhöht sich

Ebenfalls im Hagel der Kritik stehen indessen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel, die eine persönliche Freundschaft zum zurückgetretenen Ex-ÖBAG-Chef pflegen. Kurz gab zu Schmids Rücktritt noch kein Statement ab, Blümel meinte heute am Rande einer Pressekonferenz: “Ich darf mich bedanken beim Aufsichtsrat und bei der ausgezeichneten inhaltlichen Arbeit von Thomas Schmid” Auf die Frage, ob er den Rücktritt für richtig und angemessen halte, sagte Blümel, es sei eine Entscheidung des Aufsichtsrats. Ob nun die restliche Vertragslaufzeit bis März 2022 ausbezahlt werde? “Das sind Details”, das solle man den ÖBAG-Aufsichtsrat fragen.

Kern: Keine Bonifikationen für Schmid

Der Aufsichtsratschef der Staatsholding, Helmut Kern, hat heute im ORF-Radio Ö1 erklärt, das Schmid für 2021 keinen Anspruch auf Bonifikationen habe. “Der Vertrag wird nicht ausbezahlt”, so Kern am Dienstag im “Mittagsjournal” des ORF-Radio Ö1. Das, was Schmid zum Abschied erhalte, “liegt deutlich unter dem, als wenn der Vertrag ausbezahlt worden wäre”, so Kern ohne weitere Details zur Vertragsauflösung. Der Aufsichtsratschef berief sich dabei auf Vertraulichkeitsgründe. Schmids Vertrag sah ein Jahresgehalt von 400.000 bis 600.000 Euro je nach Zielerreichungen vor – also mehr als der Bundespräsident und -Kanzler verdienen. (APA/red)