
Leserbrief des Tages: "Österreichs Postenschacherei widerspricht dem EU-Recht"
Um Österreichs Postenschacherei zu beenden ist es nicht hilfreich nur auf Personen und Parteien zu zeigen, sagt Univ.-Prof. Peter Hilpold. Rechtliche Reformen sind schon längst überfällig. Hilpold lehrt Völkerrecht und Europarecht an der Uni Innsbruck. Er ist Autor von zahlreichen Publikationen. Wir bringen unten seinen Leserbrief.

Wer glaubte, schlimmer ging´s nimmer, wurde am Freitag, 28. Jänner 2022, eines Besseren belehrt: Die Veröffentlichung der „Sideletters“ hat ein Sittenbild offenbar gemacht, das nur mehr zum Schämen ist und uns international bloßstellt.
Europaweit einzigartig: Namen für höchstrichterliche Positionen stehen vorher fest
Sprachlos muss die Nonchalance machen, mit der nicht nur über die Vergabe aktuell offener Führungspositionen geschachert wird, sondern die Verteilung von Macht, Einfluss, Entscheidungsgewalt wird über Jahre hinaus festgelegt. Und am Schlimmsten von allem: Höchstrichterliche Positionen werden schon mit den Namen der zukünftigen Funktionsinhaber etikettiert. Soweit ersichtlich, ein europaweit einzigartiger Vorgang.
Zur Wahrung der Restbestände einer guten Verwaltung sollten hier zumindest die nachfolgenden „Auswahlverfahren“ gestrichen werden: Diese sind offensichtlich überflüssig und die Bürger dürfen erwarten, dass sie zumindest nicht auch noch auf den Arm genommen werden, mit Verfahren, die auch noch Kosten verursachen.
Auch Lehrstuhlinhaber an Unis werden vor den "Auswahlverfahren" festgelegt
Wer glaubt, solche Vorkommnisse seien nur bei den höchsten Staatsfunktionen festzustellen, der mag beglückwünscht werden zu seiner sicherlich seelentröstenden Kraft zur selektiven Wahrnehmung. Realistisch ist das durch eine solche Imaginationskraft geschaffene Bild der gesellschaftlichen Realität in Österreich nämlich nicht.
Man muss nur auf die – mir näher vertraute – Situation an den Universitäten blicken: Auch dort gibt es schwarz auf weiß belegte Fälle, in denen die Namen der zukünftigen Lehrstuhlinhaber, übrigens durchwegs mit niedrigem einstelligem Impact-Faktor, schwarz auf weiß protokolliert worden sind und erst in der Folge sind mit großer Wichtigkeit „Auswahlverfahren“ in die Wege geleitet worden, an deren Ende genau die Vorab-Erkorenen die Stelle erhalten haben.
EU-rechtswidrig: Kandidaten können sich gegen Postenschacherei rechtlich nicht wehren
Ich habe anlässlich der letzten Regierungsverhandlungen der Unterhändlerin der Grünen, Frau Eva Blimlinger, kommuniziert, dass hier Abhilfe geschaffen werden müsse und auf die Notwendigkeit einer bescheidmäßigen Erledigung solcher Verfahren hingewiesen, da dadurch nämlich ein – EU-rechtlich im Übrigen gebotener – Rechtsweg eröffnet würde. Sie hat darauf geantwortet, sie werde diesem Vorschlag „sicherlich nicht nähertreten“.
Meine Anregung, dann zumindest auf der Ebene zivilrechtlicher Verfahren einen Rechtsweg zu schaffen (wohlgemerkt: gemäß Art. 47 der Grundrechte-Charta wäre dies ohnehin zwingend geboten!) ließ sie unbeantwortet. Das UG 2002 ist in diesem Punkt geblieben, wie es war. Trotz der klaren Vorgaben der EU-Grundrechte-Charta können sich Kandidaten bei universitären Berufungsverfahren gegen Postenschacherei nach wie vor rechtlich nicht zur Wehr setzen.
Höchstgerichte legen Fall nicht dem EuGH vor – ohne Begründung
Und hier kommen weitere Defizite in der österreichischen Rechtsordnung problemverstärkend hinzu: Diese Frage, die längst schon bis zu den Höchstgerichten gelangt ist, wird von diesen – trotz klarer Anregung – nicht dem EuGH vorgelegt, z.T. sogar ohne jegliche Begründung.
Laut dem kürzlich ergangenen EuGH-Urteil in „Consorzio Italian Management“ ist dies ein – weiterer – klarer Verstoß gegen EU-Recht. Ein solcher müsste von der EU-Kommission gerügt werden – diese ist aber wohl anderweitig beschäftigt – bzw. zu Staatshaftung führen, ein Institut, das der EuGH im „Köbler“-Fall (Innsbruck) geschaffen hat, das aber totes Recht ist, da der EuGH seine Anwendung den nationalen Gerichten überlassen hat, die es de facto kaum zur Anwendung bringen.
Um die Postenschacherei in Österreich wirksam anzugehen muss der rechtliche Rahmen geändert werden
Wenn also Postenschacherei in Österreich wirksam angegangen werden soll, dann wird es wenig hilfreich sein, auf Personen oder Parteien zu zeigen, sondern es bedarf in Österreich rechtsstruktureller Änderungen. Insbesondere muss endlich zur Kenntnis genommen werden, dass Österreich 1995 der EU beigetreten ist und dass die EU-Grundrechte-Charta effektiv anzuwenden ist. Wie John Rawls in seiner „Gerechtigkeitstheorie“ so schön dargelegt hat, ist es aber in einem Rechtsstaat langfristig für alle sinnvoller, angesichts des „Schleiers der Ungewissheit“ bestimmte Mindestspielregeln zu fixieren und dann auch durchzusetzen.
Die Postenschacherei, die in der Vergangenheit einigen vielleicht lieb und nett schien, „zutiefst österreichisch“, zeigt sich immer mehr von ihrer hässlichen Seite, die uns international vorführt. Eine Entscheidung für die Achtung des EU-Rechts ist längerfristig wohl die überlegene Alternative.
Kommentare
Die nächsten Wahlen kommen bestimmt und keiner wird die mehr Wehlen.
Und wer schützt unsere EU-Grenzen ?
Warum soll die EU funktionieren. Jugoslawien ist wie die Sowjetunion auseinandergefallen. In Irland oder Belgien aber auch in Spanien gibt es gefährliche Spannungen. Hinzu kommt die Deutsch-Französische Kommunistenachse, die alle beherrschen wollen. Die Visegrad-Staaten haben aus leidlicher Erfahrung kein Interesse an politischer Bevormundung. Österreich wäre gut beraten gewesen, hätten wir nur den EWR-Vertrag unterschrieben !
ich hab dass video mit dieser messerstecherei gesehen und ich kann nur sagen leute! schaut es euch nicht an,mich verfolgt dass noch immer in meinen alpträumen! es ist schlimmer wie jeder horrorfilm! Aber das verückteste an dieser aktion ist!!! DAS weder unser KANZLER! noch unser
BUNDESPRÄSIDENT1 dazu stellung genommen haben!!!
das ist von allen ländern dieser WELT EINZIGARTIG!!!
ICH BIN EINFACH NUR SPRACHLOS………
EU ist gescheitert !
Euro ist gescheitert !
Schengen ist gescheitert !
Danke dem Autor für den Beitrag! Tatsächlich wird in Österreich ein beachtlicher Aufwand – sei es für das richterliche Auswahlverfahren, sei es für Ämter der Hochverwaltung – zur Durchführung von Scheinverfahren betrieben, bei denen der Gewinner/die Gewinnerin von Anfang an feststeht. Effektiven Rechtsschutz gibt es nicht. Ein Faktum, welches gerade von Entscheidungsträgern nicht gerne zur Kenntnis genommen wird.
Eine Berufung auf das EU-Recht scheint mir fast das noch größere Übel, lassen wir es lieber bei der Postenschacherei!
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass der Verfassungsgerichtshof über die Art der Bestellung seiner Mitglieder unglücklich ist, weil er faktisch kein Mitspracherecht hat. Eine Möglichkeit wäre, der Rechtsanwaltschaft und dem Notariat ein Mitspracherecht bei der Personalauswahl zu geben. Wünschenswert wäre eine schriftliche Prüfung, bei der ernsthaft Fachwissen verlangt wird. Hearings können nur einen allgemeinen Eindruck geben.
Haha, weil es ja Postenschacherei auf EU-Ebene gar nicht gibt.
Welche Wahl hat schnell noch einmal die aktuelle Kommissionspräsidentin gewonnen?
die sollen doch mal nach wien schauen. dort ist seit jahrzehnten alles rot – dunkelrot.
Stimmt ,und es wurden nicht immer die i.m.A. Fähigsten für div. Positionen ausgewählt. Man denke nur an die ehemalige Finanzstadträtin Renate Brauner, die neben ihren div. “ausschweifenden” Reisenspesen, nach ihrem Abgang auf Kosten der Steuerzahler ein Büro für Daseinsvorsorge betrieb, in zwei Jahren ca.750.000€ Personalkosten (ohne Personalausschreibung), ca.45.000€ Mietkosten verursachte und ihr Bruttogehalt NICHT bekanntgeben wollte. In meinen Augen wieder einmal ein Versorgungsposten auf Steuerzahlerkosten für glücklose SPÖ-Politiker. Da haben wir ja direkt Glück wenn sie, wie Frau Wehsely, SPÖ, und schon einige vor ihr, von der Siemens übernommen werden und wir womöglich dafür nur für überteuerte Straßenbahnen, uä. bezahlen müssen. Für alle gilt natürlich die Unschuldsvermutung.
ganz richtig. renate brauner hat noch 500 millionen euro steuergeld verzockt davon 200 millionen euro an einen einzigen vormittag. sonja wehsely u. sandra frauenberger verzockten ebenfalls beim kh nord über 700 millionen euro steuergeld. die 3 spö damen vergeigten über 1,2 milliarden euro steuergeld und sie wurden noch mit teuren versorgungsposten fürstlich belohnt für das totalversagen. keine staatsanwaltschaft nichts. es gilt die unschuldsvermutung.