In Deutschland hat der parteilose, linke Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, Gerhard Trabert, mit einer Aussage mit Blick auf die soziale Ausgrenzung armer und geflüchteter Menschen gerade viel Staub aufgewirbelt – denn der Sozialminister zog hier eine für viele heikle Parallele zur Verfolgung von Juden in der NS-Zeit. Trabert nutzte den digitalen Jahresauftakt der Linken, um einen jüdischen Jugendlichen, der 1945 im NS-Konzentrationslager Bergen-Belsen starb, zu zitieren. In seinem Tagebuch hatte der Bub beklagt, dass die Gesellschaft das Schicksal der Juden ignoriere.

Zur Erklärung, warum er dieses Zitat wählte, meinte Trabert: “Warum dieses Zitat? Wie damals viele Deutsche wussten, was mit den Juden geschieht, ist es heute so, dass wir wissen, was mit geflüchteten Menschen im Mittelmeer, in libyschen, in syrischen Lagern geschieht. Wir wissen, wie die Armut zunimmt, wir wissen um die erhöhte Sterberate von armen Menschen auch hier in Deutschland. Wenn man vergleicht das reichste mit dem ärmsten Viertel, sterben arme Frauen 4,4 und arme Männer 8,6 Jahre früher. Das ist alles ein Skandal.“ Die Ursachen hierfür lägen in der Wirtschafts-, Sozial-, Handels- und Außenpolitik. “Wir dürfen nicht aufhören, dies, auch diese Form von struktureller Gewalt immer wieder zu benennen”, appellierte der linke Präsidentschaftskandidat.

Diese Aussagen sorgten für viel Aufruhr und Diskussionen, unter anderem auch auf Twitter. Trabert nutzte diese Plattform in der Folge auch, um sich in einem sechsteiligen Thread zu erklären: “Es geht mir nicht um eine historische Gleichsetzung. Das von den Nationalsozialisten verursachte Leid vieler Menschen war unbeschreiblich größer und ist nicht vergleichbar. Aber die Tendenz des Wegschauens muss deutlich kritisiert werden. Mir geht es ums Hinschauen, gerade in der heutigen Zeit und um ein Lernen aus der Vergangenheit.”

Diese Erläuterung reicht vielen aber nicht – sowohl auf Twitter als auch in der Politik erachten viele Traberts Aussagen schlichtweg als falsch, manche fordern Konsequenzen ein. So auch der erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel. In einem Interview mit der “Welt am Sonntag” findet Vogel klare Worte: “Es ist mir völlig unbegreiflich, dass sich immer wieder jemand findet, der geschichtsvergessene Vergleiche zur NS-Zeit zieht. Diese Äußerungen sind absolut inakzeptabel und ebenso wirr wie historisch entglitten. Damit disqualifiziert sich Gerhard Trabert selbstverständlich und für jeden offenkundig für das höchste Staatsamt. Die Linke sollte kritisch wägen, ob sie diese Kandidatur weiter trägt.”

Trabert fordert "Widerstand gegen unsoziale Politik"

Der Parteilose war diese Woche von der Linken als Kandidat für die Wahl des Bundespräsidenten im Februar nominiert worden. Der Arzt arbeitet seit Jahrzehnten in der Gesundheitsversorgung von Obdachlosen und Flüchtlingen. Er sagte zur Lage heute: “Auch die Gerichte missbrauchen ihre Macht, um Kritik in dieser Demokratie mundtot zu machen. Das dürfen wir nicht akzeptieren.”

Trabert berief sich auf den Franzosen Stéphane Hessel und dessen Kritik am Finanzkapitalismus und betonte, nötig sei “Widerstand” gegen eine unsoziale Politik. Da müsse auch die Linke noch profilierter werden.