Die vom 15. bis zum 21. November 2021 geltende 5. COVID-19-Schutz­maßnahmenverordnung, die einen Lockdown für Ungeimpfte und nicht Genesene sowie einen 2G-Nachweis für bestimmte Orte vorsah, war weder gesetz- noch verfassungswidrig. Diese Entscheidung aus den jüngsten Beratungen des VfGH wurde heute den Verfahrensparteien zugestellt.

Eine Frau aus Wien hatte in ihrem Antrag geltend gemacht, dass einzelne Bestimmungen der Verordnung gesetzwidrig seien. Ein Lockdown dürfe nämlich nur verhängt werden, wenn diese Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie „unerlässlich“ sei, „um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern“, und andere, weniger einschneidende Beschränkungen nicht ausreichen (§ 6 Abs. 1 COVID-19-Maßnahmengesetz). Diese Voraussetzungen seien, so die Antragstellerin, nicht erfüllt: Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft könnten sich nämlich auch Vollimmunisierte mit dem Virus infizieren und andere anstecken. Aus demselben Grund sei es auch sachlich nicht gerechtfertigt, den Zutritt für Kunden zum Beispiel zu Geschäften und Gastronomiebetrieben von einem 2G-Nachweis abhängig zu machen. Die Tatsache, dass getestete Personen keine solchen Betriebe betreten durften, verstoße zudem gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Der Verordnungsakt dokumentiert die epidemiologische Lage und wissenschaftliche Erkenntnisse insbesondere über die damals vorherrschende Delta-Variante von COVID-19 bzw. über deren Inzidenz. Vor diesem Hintergrund konnte der Bundesminister für Gesundheit Mitte November 2021 vertretbarerweise annehmen, dass nicht immunisierte Personen sowohl ein deutlich erhöhtes Ansteckungs- und Übertragungsrisiko als auch ein deutlich erhöhtes Risiko eines schweren Krankheitsverlaufes haben, und die Ausgangsbeschränkung für nicht immunisierte Personen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 und der Überlastung des Gesundheitssystems geeignet war. Dem Gesundheitsminister ist weiters nicht entgegenzutreten, wenn er angesichts der hohen Zahl an täglichen Neuinfektionen sowie der angespannten Situation in den Spitälern die (bloße) Vorlage eines negativen PCR-Testergebnisses als gelinderes Mittel nicht für geeignet hielt, um die prognostizierte systemkritische Belastung des Gesundheitssystems abzuwenden, sondern eine ganztägige Ausgangsbeschränkung für Personen ohne 2G-Nachweis ab dem 15. November 2021 als unerlässlich erachtete.

Gerade im Hinblick auf das Grundrecht auf Privat- und Familienleben waren zudem zahlreiche Ausnahmen von der Ausgangsregelung vorgesehen; die Ausgangsregelung war daher in einer Gesamtbetrachtung verhältnismäßig.

Auch gegen die Betretungs- und Einlassbeschränkungen, die vom 15. bis zum 21. November 2021 nur für Personen ohne 2G-Nachweis galten, hat der VfGH keine Bedenken. Der Gesundheitsminister hat u.a. nachvollziehbar dargelegt, dass die bereits ab 8. November 2021 eingeführte Maskenpflicht in Betriebsstätten des Handels nicht ausgereicht habe, das rasant steigende Wachstum der Neuinfektionen ausreichend unter Kontrolle zu bringen.

Die Unterscheidung zwischen Geimpften und Genesenen einerseits und Personen ohne 2G-Nachweis – also etwa Getesteten – andererseits verstieß auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das COVID-19-Maßnahmengesetz sieht vor, dass eine solche Ungleichbehandlung auf wissenschaftlich vertretbaren Annahmen über wesentliche Unterschiede in Bezug auf die Weiterverbreitung von COVID-19 beruhen muss. Dies war im Fall der 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung nachvollziehbar gegeben. Der Gesundheitsminister handelte auch nicht unsachlich, wenn er die Durchführung von Tests für sich allein als nicht geeignet ansah, um die prognostizierte systemkritische Belastung des Gesundheitssystems abzuwenden.