„Es gab viele Zweifel. Doch seit der niederländisch-belgischen Studie – dem sogenannten NELSON-Trial -, die 2020 im New England Journal of Medicine publiziert worden ist, hat sich die Situation geändert. Wir brauchen keinen Beweis mehr dafür, dass ein Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm wirkt. Es wirkt“, sagte jetzt der Wiener Spezialist, Mitglied des erweiterten Vorstands der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖPG), Otto Burghuber, gegenüber der APA. „Wir sind alle der Meinung, dass wir das tun sollten.“

Der Hintergrund: Rund 90 Prozent der Lungenkarzinomerkrankungen sind durch das Rauchen bedingt. Weil aber Lungenkrebs zumeist erst im Spätstadium diagnostiziert wird, sind die Überlebenschancen anhaltend schlecht. In Österreich leben ein Jahr nach der Diagnose laut Statistik Austria nur noch 53 Prozent aller Lungenkarzinom-Erkrankten, nach fünf Jahre nur noch 21 Prozent. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei Entdeckung eines Lungenkarzinoms im Stadium I liegt laut Experten bei 77 bis 91 Prozent, im Stadium IV nur noch bei fünf Prozent. In Österreich werden aber etwa drei Viertel der Lungenkarzinome im Stadium III oder IV entdeckt. Das bedeutet eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von zehn bzw. drei Prozent in diesen beiden Untergruppen.

Rund 90 Prozent der Lungenkarzinomerkrankungen sind durch das Rauchen bedingt.Symbolbild: APA

Sterblichkeit niedriger

Seit Anfang 2020 liegt die Bestätigung durch die europäische NELSON-Studie vor. In die Untersuchung flossen die Daten von 15.789 Probanden ein. Es handelte sich um 13.195 Männer und 2.594 Frauen. Die Probanden waren langjährige Raucher (50 bis 74 Jahre, mehr als zehn Zigaretten täglich über 30 Jahre hinweg oder mehr als 15 Zigaretten täglich für 25 Jahre bzw. Rauchstopp innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre). Die eine Hälfte wurde zu Beginn, nach einem, drei und 5,5 Jahren zu CT-Untersuchungen auf verdächtige Veränderungen in der Lunge einberufen, die andere Hälfte nicht. Das Ergebnis: Nach zehn Jahren war die Lungenkarzinom-Sterblichkeit unter den Untersuchten um 24 Prozent niedriger als in der Vergleichsgruppe der Personen ohne Screening. Unter den Probandinnen war die Lungenkrebssterblichkeit sogar um 33 Prozent niedriger.

380.000 Österreicher kämen für Screening in Frage

Wegen der Covid-19-Pandemie konnten die Pläne einer Task-Force “CT-Lung-Cancer-Screening” von österreichischen Lungenspezialisten, Radiologen und Onkologen im vergangenen Jahr nicht vorangetrieben werden. Im Vergleich zu den USA mit den neuen erweiterten Empfehlungen ergibt sich dadurch ein noch größer werdender Abstand. Dabei sei das Lungenkarzinom-Screening im Vergleich zur Brustkrebs-Früherkennung per Mammografie de facto genauer (weniger Untersuchte pro gerettetem Menschenleben). Allein in Wien dürften rund 73.000 schwere Raucher oder Ex-Raucher für ein Screening-Programm infrage kommen, in ganz Österreich laut einer Expertenabschätzung rund 380.000 Menschen.
(APA/red)