Es ist ein Skandal von ungeheurer Tragweite, nur ist er für die breite Öffentlichkeit nicht immer leicht verständlich. In einem Exklusiv-Interview mit eXXpress-Moderatorin Tanja Pfaffeneder erläutert der Top-Börsenanalyst Oswald Salcher, welche Fehler das Unternehmen der Stadt Wien offensichtlich begangen hat, und was es hier mit Begriffen wie „Margin Call“, „Terminbörse“, „Futures“ auf sich hat.

Wer bei den Großen mitspielt, brauch auch Kontrollen und Risikomanagement

Dass der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) und Wien Energie einzig den steigenden Strompreisen die schuld gibt, findet der Experte „billig“. „Dafür gibt es ja Risikomanager, dafür gibt es permanente Kontrollen“, unterstreicht Salcher, der zurzeit für den Neobroker Trade Republic arbeitet. Das gehöre nun mal dazu, wenn man „bei den Großen mitspielt“. Vor allem soll man nur auf Produkte setzen, die man wirklich versteht. „Future-Kontrakte sind sicherlich das gefährlichste.“

Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) gibt bei einer PK den Strompreisen die Schuld.

Die Dimensionen, um die es geht, „die sind schon sehr beachtlich“. Die Jahresproduktion von Wien Energie betrug im Jahr 2021 6280 Gigawattstunden (GWh). Gleichzeitig hat das Unternehmen der Wiener Stadtwerke im selben Jahr Termingeschäfte im Ausmaß von 9640 GWh gemacht. „Das sind 153 Prozent der eigentlichen Jahresproduktion.“

Markus Salcher im eXXpress-IntervieweXXpressTV

Die Sicherheitsleistung – Margin – der Wien Energie war zunehmend gefährdet

Dazu konstatiert Salcher: „Wien Energie hat anscheinend Termingeschäfte in einem Ausmaß gemacht, die ihnen eine Nummer zu groß sind.“ Man höre zwar von Gegengeschäfte mit Gas und dem ungleich stärker gestiegenen Preis für Strom als für Gas, doch das ändere nichts am enormen Volumen.

Wien Energie hat über ein Termingeschäft Strom zu einem fixen Preis in der Zukunft verkauft. Der Strompreis ist massiv gestiegen, das Unternehmen musste einen Margin – eine Sicherheitsleistung – hinterlegen, der aber aufgrund der steigenden Preise zunehmend gefährdet war. (Was es mit Margins auf sich hat, erläutert Salcher näher im Interview. Margins sollen bei Fehlspekulationen Verluste ausgleichen.)

Dass der Strompreis nicht sinken wird, war bereits absehbar

Man hatte natürlich nicht damit gerechnet, dass der Strompreis so stark ansteigen wird. Dass der Strompreis aber nicht wieder sinken wird, das musste man schon vorher wissen. Hier hat man offensichtlich zu spät die Handbremse gezogen. Vieles sei hier schon sehr „merkwürdig“, etwa warum man das Risiko nicht schon vorher durch eine Gegenposition neutralisieren hat.

Fakt ist: Zuerst hat der Wiener Bürgermeister per Notverordnung im Juli 700 Millionen Euro nachgeschossen, damit die Wien Energie weiterhin um diesen Sicherheitsleistungen nachzukommen. Ende August kamen nochmals 700 Millionen, dann folgte ein Rettungsschirm der Regierung von 2 Milliarden Euro. Das sind ungeheure Beträge.

Auch Finanzexperte Zmuegg: Wien Energie hat sich bereits 2021 übernommen

Dass hier schon länger vieles im Argen lag, das bekräftigte bereits der Top-Finanzexperte Gerald Zmuegg (Finanzombudsteam.at) gegenüber dem eXXpress: „Die Wien Energie GmbH. konnte bereits zum 31.12.2021 die notwendigen Margins nur noch aus dem Cash Pooling des Wiener Stadtwerke Konzerns leisten. Der Bewertungsverlust von einer Milliarde Euro aus den Strom-Termingeschäften bis zum 31.12.2021 übersteigt das Unternehmens-Eigenkapital von 761 Millionen Euro deutlich.“

Damit noch nicht genug: „Bei der Wien Energie GmbH. hat sich das Volumen an Strom-Termingeschäften seit dem Jahr 2019 nominell verdoppelt. Die deutliche Ausweitung der Verkäufe auf Termin ist ein Treiber des im August dieses Jahres bekannt gewordenen Liquiditätsengpasses“, unterstreicht Gerald Zmuegg.

Nach Gerald Zmuegg bestätigt mit Oswald Salcher ein weiterer Top-Experte: Wien Energie hat ganz offenkundig den Bogen überspannt und das schon länger.

Wenn Sie mehr über diesen Skandal erfahren wollen, und dabei besser verstehen wollen, worum es bei Termingeschäften eigentlich geht, dann sehen Sie sich diese Sendung an!