Mehrere Gründe und einige Aufnahmen sprechen dafür, dass der noch immer andauernde Ansturm von tausenden Migranten seit Montagnacht auf die spanische Enklave Ceuta seitens der marokkanischen Grenzpolizei beabsichtigt war.

Videos und Bilder zeigen, wie die marokkanische Polizei nur passiv danebensteht, als mehrere tausende Migranten schwimmend oder in kleinen Booten in Richtung Ceuta aufbrechen.

Der momentan in Medien kursierende Grund für die offenen marokkanischen Grenzen Richtung Spanien soll angeblich die Aufnahme eines algerischen Rebellen in ein spanisches Krankenhaus wegen einer Covid-Erkrankung sein. Das wurde von der marokkanischen Regierung als „provokativ“ bezeichnet. Mehrere Vorkommnisse der letzten Tage und Wochen sprechen jedoch auch dafür, dass der Hintergrund des beabsichtigten Flüchtlingsansturms im Zusammenhang mit Deutschland stehen könnte.

Dieses Video wurde auf der Telegramseite der spanischen VOX-Partei veröffentlicht und ist ein Zusammenschnitt mehrerer Videos von Bewohnern Ceutas.

Migranten kletterten dienstagfrüh ohne Widerstand der marokkanischen Polizei über und unter den Grenzzäunen auf die spanische SeiteFADEL SENNA / AFP

Anerkennung der West-Sahara als Teil Marokkos möglicher Streitpunkt

Eigentlich unterhielten Marokko und Deutschland gute politische und wirtschaftliche Beziehungen – doch damit war spätestens seit Dezember 2019 Schluss. Damals erkannte der ehemalige US-Präsident Donald Trump die Hoheit Marokkos über die Westsahara an. Trump tat dies als quasi „Gegenleistung“ für die von König Mohammed V normalisierte Beziehung zu Israel. Marokkanische Diplomaten waren davon ausgegangen, dass die Vereinten Nationen und die deutsche Bundesregierung ähnlich agieren würden – was diese nicht taten.
Für die UN gilt die militärische Annexion der ehemaligen spanischen Kolonie durch Marokko 1975 nämlich bis heute als völkerrechtswidrig. Berlin stellte sich deshalb klar gegen die Trump-Linie. Und das, obwohl Marokko als politisch stabilstes Land Nordafrikas gilt und das letzte Bollwerk gegen Islamisten vor den europäischen Außengrenzen ist.

Marokko legte diplomatische Beziehungen mit Deutschland auf Eis

Als Reaktion auf diese klare Positionierung legte die marokkanische Regierung Medienberichten zufolge ihre diplomatischen Beziehungen zu Deutschland im März 2021 auf Eis. In einem Schreiben von Außenminister Nasser Bourita, das in mehreren Medien des Landes verbreitet wurde, ordnet dieser an, dass „alle ministeriellen Abteilungen und die Gesamtheit der ihnen unterstehenden Organisationen (…) alle Kontakte und jede Interaktion (…) sowohl mit der deutschen Botschaft in Marokko als auch mit den mit ihr verbundenen Organisationen und den deutschen politischen Stiftungen abbrechen“. In dem Schreiben sprach er sogar von „feindlichen Handlungen Deutschlands.“ Am 6. Mai, also vor 12 Tagen, rief Marokko sogar seine Botschafterin aus Berlin zurück. Über den Zustand der schon seit Monaten auf Eis liegenden diplomatischen Beziehungen ist nichts bekannt – bis jetzt.

Der Grund für die Eiszeit zwischen den ehemaligen Verbündeten könnte aber auch an einer schon länger andauernden Unstimmigkeit liegen – der Verweigerung der deutschen Behörden, den von Marokko als „Islamisten und Königshaus-Kritiker“ bezeichneten Mohamed Hajib auszuliefern.

Deutschland soll marokkanischem Ex-Häftling sensible Informationen gegeben haben

Marokko wirft Deutschland vor, einem wegen „terroristischen Handlungen“ verurteilten Deutsch-Marokkaner aus dem Problembezirk Duisburg Marxloh sensible Daten über den marokkanischen Sicherheitsdienst zukommen gelassen zu haben. Mohamed Hajib, der beispielsweise von deutschen Islamisten Pierre Vogel und Bernhard Falk schon vor 12 Jahren Unterstützung und lobende Worte bekommen hatte, war 2009 zur „Rechtleitung gestrauchelter Muslime“ nach Pakistan gereist. Als ihn die marokkanischen Behörden 2010 unter Umwegen und mit Hilfe der deutschen Behörden festnehmen konnten, wurde er wegen „Finanzierung von Terrorismus“ und „Bildung einer kriminellen Organisation“ zu zehn Jahren Haft verurteilt. Marokkanische Behörden warfen ihm vor, Anhänger der Tablighi Jamaat-Bewegung zu sein – einer radikal islamistischen Sekte. Nach seiner Haftentlassung 2017 klagte er den Deutschen Staat auf Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1,5 Millionen Euro – er sei in Haft gefoltert worden, Deutschland hätte die marokkanischen Behörden nicht bei seiner Auslieferung unterstützen dürfen.

Islamist wird von Deutschland nicht ausgeliefert

Für das Königreich Marokko ist Hajib ein Staatsfeind. Der von Islamismusexperten als ‚radikaler Islamist‘ klassifizierte Deutschmarokkaner zieht auf Youtube regelmäßig über das marokkanische Königshaus und andere politische Geschehnisse im Land her. Seine Videos, die komplett in arabischer Sprache und auf Youtube frei zugänglich sind, haben bis zu 300.000 Aufrufe. Da Deutschland der Auslieferung Hajibs trotz mehrerer Ansuchen der marokkanischen Behörden nicht nachkommt und verweigert, sind die Beziehungen dementsprechend schon seit geraumer Zeit belastet. Mohamed Hajib lebt nach wie vor in Duisburg Marxloh.

Mehrere Gründe deuten also darauf hin, dass Marokko Deutschland mit dem ungebremsten Migrationsansturm unter Druck setzen möchte.