Das gab es noch nie: Im Juli tritt Wiens neuer Patientenanwalt sein Amt an. Vier Wochen zuvor kennt man weder die Anzahl der Bewerber, noch das Datum ihres Hearings, noch wann die Stadt Wien bekannt geben wird, wer denn nun der neue Anwalt der Wiener Patienten sein wird. Eine diesbezügliche eXXpress-Anfrage bei der Magistratsdirektion wurde folgendermaßen beantwortet: “Das Auswahlverfahren ist im Gange. Nach Abschluss desselben wird ein Antrag an die Wiener Landesregierung gestellt werden.” Das wussten wir schon vorher.

Bewerber werden im Dunkeln gelassen

Anders als bei anderen Besetzungen findet das Auswahlverfahren beim Wiener Patientenanwalt hinter verschlossenen Türen statt, verborgen vor Öffentlichkeit und Opposition. Allein schon dieser Umstand sorgte bei der letzten Bestellung im Jahr 2017 für massive Kritik – damals noch von Seiten der NEOS, die in Opposition waren. Heuer – die NEOS sind mittlerweile Koalitionspartner – verläuft das Verfahren noch intransparenter als vor fünf Jahren.

NEOS-Gesundheitssprecher Stefan Gara sprach 2017 von rot-grünem "Postenschacher". Die Bestellung des Patientenanwalts "schnapst sich die rot-grüne Stadtregierung hinter verschlossenen Türen aus”.APA/HELMUT FOHRINGER

Die Bewerbungsfrist war besonders kurz (11. April bis 1. Mai), ausgeschrieben war sie nur in zwei Amtsblättern und – gut versteckt – am Karfreitag im Internet. In sonstigen Tageszeitungen war nichts davon zu lesen. Mit anderen Worten: Man musste schon sehr gut aufpassen, um überhaupt von der Bewerbungsmöglichkeit rechtzeitig zu erfahren und die Frist nicht zu verpassen.

Damit noch nicht genug: Insider-Informationen zufolge hatten die Bewerber zunächst ein Gespräch mit einem Personalberater, danach wurde einigen nicht einmal mitgeteilt, wann oder ob ihr eigentlich Hearing stattfinden wird. Mit anderen Worten: Möglicherweise wurden einige Bewerber erst gar nicht zum Hearing geladen, was sie aber bisher noch nicht erfahren haben. Das Hearing selbst findet hinter verschlossenen Türen statt – oder hat vielleicht schon stattgefunden? Wann die finale Entscheidung durch die Landesregierung fallen  und bekannt gegeben wird, ist ebenfalls unklar. Nichts dringt nach draußen.

Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl (FPÖ) vermutet geheime politische Absprachen.APA/HELMUT FOHRINGER

FPÖ: "Es wird eine Art Sideletter geben"

“Es wird eine Art Sideletter geben”, vermutet der Gesundheitssprecher der Wiener FPÖ, Wolfgang Seidl, gegenüber dem eXXpress. Demnach würde es genau jene parteilichen Absprachen in der Wiener Koalition geben, die seit der Sideletter-Affäre und dem von der SPÖ unterstützten Antikorruptionsvolksbegehren so scharf kritisiert werden. Seidl rechnet mit einem NEOS-nahen Nachfolger.

Zum Prozedere in diesem Jahr unterstreicht Seidl: „Das ist an Intransparenz nicht mehr zu überbieten. Bürgermeister Ludwig und Vize-Bürgermeister Wiederkehr sollten den Sideletter veröffentlichen. 2017 haben die NEOS noch am lautesten die Intransparenz angeprangert. Nun nicken sie das alles ab.“

Absprachen im Vorgeld? Vizebürgermeister Christoph Wiefderkehr (NEOS) und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ)APA/ROLAND SCHLAGER

Seidl bezeichnet die Vorgangsweise bei der Bestellung des Wiener Patientenanwalts als Unikum: „Es müsste so laufen, wie jetzt beim Umweltanwalt und auch sonst in der gesamten Welt: Die Kandidaten stellen sich einem Hearing im Ausschuss des Gemeinderats.“

Kein politisches Amt – in der Theorie

Man fragt sich: Will die Stadt Wien einen möglicherweise unangenehmen Patientenanwalt verhindern?

Dem Patientenanwalt kommt eine enorm wichtige Aufgabe zu: Bei Konflikten mit Spitälern und Ärzten hat er für die Rechte und Interessen der Patienten einzutreten – unabhängig von Parteibuch. Patientenanwaltschaften sind im übrigen unabhängige und weisungsfreie Einrichtungen. Gerade deshalb sollte hier – zumindest in der Theorie – keine politische Besetzungen erfolgen.

Wer diesmal der neue Patientenanwalt wird, darüber kann man nur mutmaßen. Manche Insider vermuten, die jetzige Patientenanwältin Sigrid Pilz von den Grünen könnte ein drittes Mal das Rennen machen, gemäß dem Wunsch von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Andere glauben eher wie Seidl an einen neuen Patientenanwalt mit NEOS-Nähe.