Manche Medienhäuser wirken verzweifelt: Die Chancen auf eine Rechtskoalition stehen in Italien laut Umfragen so gut wie schon lange nicht. Die Führung haben – völlig unerwartet – die „Brüder Italiens“ („Fratelli d’Italia“) mit ihrer Vorsitzenden Giorgia Meloni übernommen. Nachdem zuvor jahrelang vor Lega-Chef Matteo Salvini gewarnt wurde, überbieten sich einige Medien nun im Alarmismus. Von der „Kleinen Diktatorin“ spricht der „Merkur“, als Post-Faschistin wird Meloni von der FAZ tituliert.

Lange Zeit waren die „Brüder Italiens“ eine Kleinpartei

Mit den Aufstieg Melonis – die bereits vor 14 Jahren Jugend- und Sportminister unter Silvio Berlusconi war – hatte niemand gerechnet. Jahrelang blieben die „Brüder Italiens“ bei Wahlen im einstelligen Bereich. Dabei war alle Aufmerksamkeit auf die Lega gerichtet, die mit ihrem neuen Vorsitzenden Matteo Salvini ab 2014 nach und nach zur stärksten Kraft im Mitte-Rechts-Bündnis wurden. Doch dann wendete sich das Blatt, allerdings nicht mit Salvinis Ausscheiden aus der „Populistenregierung“ 2019.

Jahrelang dominierte er in der Öffentlichkeit: Lega-Chef Matteo Salvini.APA/AFP/Attila KISBENEDEK

Dafür sorgte vielmehr die Beteiligung der Lega in der Draghi-Regierung 2021. Salvini präsentierte die Lega als verantwortungsvolle Partei, die in der Not einsprang, um die schlimmsten linken Pläne zu verhindern. Womit keiner gerechnet hatte: Am Ende profitierte davon am meisten Meloni. Denn nun waren die „Brüder Italiens“ die einzige große Partei, die nicht der Koalition der „Nationalen Einheit“ angehörte.

Die größte Oppositionspartei wurde zur Stimme des Protests

Giorgia Melonis Stunde hatte geschlagen. „So konnte sich die Römerin als einzige echte Alternative darstellen“, kommentiert das Online-Magazin Tichys Einblick. Sie sagte der Pflichtimpfung, dem „Greenpass“ und linken Gesellschaftsprojekten den Kampf an. In der Folge wechselten sämtliche Protestwähler von der Lega zu den „Brüdern Italiens“ – und das in beachtlichem Umfang.

Meloni und Salvini bei einer gemeinsamen KundgebungAPA

Gemäß den Umfragen dürfen sich die „Brüder Italiens“ über Werte zwischen unglaublichen 23 oder gar 25 Prozent erfreuen. Damit hat die Partei zurzeit beste Chancen bei den Neuwahlen im September stärkste Kraft zu werden. Salvinis Lega liegt im Moment bei 15 Prozent, Berlusconis Forza Italia bei 11 Prozent. Auf der linken Seite des Polit-Spektrums kommt die Demokratische Partei PD zurzeit auf 23 Prozent, die „Fünf Sterne“ auf 10 Prozent. Fazit: So gut standen die Chancen für das rechte Lager seit Jahren nicht mehr – und das nur zwei Monate vor der Wahl.

Zurzeit fehlt ein Rezept gegen Meloni.APA/AFP/Photo by Tiziana FABI

Wie rechts ist Meloni?

Wie weit rechts ist Meloni denn wirklich? Für „Tichys Einblick“ steht zumindest eines fest: „Hätten die Medien in den vergangenen Jahren den Umgang mit dem moderateren Salvini gesucht, müssten sie nun nicht mit der weiter rechtsstehenden Meloni hadern.“

Bis heute wird Meloni eine geheime Liebe zum Duce Mussolini vorgehalten. Sie habe sich öffentlich bisher zu wenig von ihm distanziert. Auf die Frage, werde denn nun ihre Vorbilder sind, nennt Meloni zwei andere Namen: Papst Johannes Paul II. und US-Präsident Ronald Reagan.