Wie ernst kann man die Zahlen nehmen, die das vielzitierte Robert-Koch-Institut in Berlin täglich zum Coronavirus veröffentlicht? Laut Berechnungen des Mediziners Bertram Häussler sollte man vor allem die RKI-Sterbestatistik mit einer Prise Skepsis nehmen.Diese werde “zunehmend verzerrt”, so der Experte in einem aktuellen Interview mit der “Welt”. Bei einem Großteil der vom RKI gemeldeten Corona-Toten sei offen, woran sie gestorben sind, auch wenn die Infektionszahlen im Steigen begriffen sind schließt Häussler eine “massive Sterblichkeit” aus.

"Es werden mehr Todesfälle gemeldet, als tatsächlich gestorben sind"

Für Häussler sprechen die Zahlen für sich, und die britische Methodik hinter der Berechnung findet er hier schlüssiger als die deutsche: “Momentan meldet das RKI täglich etwa acht Menschen, die direkt an Corona gestorben sein dürften. Das ist ein leichter Anstieg, vor sechs bis acht Wochen waren es täglich nur zwei. Demgegenüber wurden auf dem Höhepunkt der zweiten Welle täglich bis zu 1200 Tote gemeldet. Halten wir also fest: Die Sterbezahlen sind sehr niedrig, und – man muss es leider sagen – auch diese Zahl liegt noch zu hoch. Es werden mehr Todesfälle gemeldet, als tatsächlich an Corona gestorben sind”, so der Mediziner.

Bei gut 80 Prozent der deutschen Corona-Toten liegt die Infektion mehr als 5 Wochen zurück

Wie aber kann das sein? Häussler erklärt, dass bei gut 80 Prozent der “offiziellen” Covid-Toten, die in Deutschland seit Anfang Juli gemeldet wurden, die zugrundeliegende Infektion schon länger als fünf Wochen zurückliege und man “daher eher davon ausgehen muss, dass Corona nicht die wirkliche Todesursache war”, so der Experte. In Deutschland haben mittlerweile etwa 3,8 Millionen Menschen eine Corona-Infektion überstanden und rein rechnerisch sterben täglich etwa 100 dieser Genesenen an regulären Todesursachen. Das ist Fakt – ebenso wie die Tatsache, das solche Fälle ab und an im Gesundheitsamt einer vor Monaten gemeldeten Coronainfektion zugeordnet werden und dann so in  die Corona-Sterbestatistik des RKI einfließen. “Da kann es sich dann auch um einen alten Menschen handeln, der sich zwar 2020 infiziert hat, jetzt aber an Herzversagen gestorben ist”, erläutert Häussler.

Deutsche Sterbestatistik: RKI will "sichergehen, dass kein Corona-Toter fehlt"

Das RKI weiß um diesen Fehler in der Sterbestatistik Bescheid und bestätigt ihn auch. “Sie wollen aber sichergehen, dass in der Statistik kein Corona-Toter fehlt”, so Häussler. Da sich solche Meldungen häufen, wird die Corona-Statistik in Deutschland zunehmend verzerrter.

Nicht zuletzt aus diesem Grund bevorzugt der Mediziner das britische System, wo – wie in vielen anderen Ländern auch – mit einer klaren Vier-Wochen-Frist gearbeitet wird: Wenn sich in Großbritannien jemand mit Covid-19 infiziert hat und innerhalb von vier Wochen stirbt, dann gilt er als Covid-Toter. Stirbt er später, geht er nicht in die Statistik der Corona-Todesfälle ein.

Denken Sie, dass die Corona-Sterbestatistik in Österreich ähnlich verzerrt sein könnte wie in Deutschland?