Die EU-Kommission will Europa – dabei Unternehmer wie Verbraucher – auf ihren Klimakurs einschwören. Dafür hat sie eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet, die einige bestehende Instrumente verschärft und neue hinzufügt. Für die Umwelt-NGOs WWF, Greenpeace und Global 2000 geht das alles noch nicht weit genug. Auf die großen Gefahren für Europa als Industrie- und Wirtschaftsstandort macht hingegen die Industriellenvereinigung (IV) aufmerksam. Nicht nur sind Arbeitsplätze bedroht, selbst mit Blick auf die Klimaziele der EU sind einige Vorhaben kontraproduktiv, wie eine Stellungnahme von IV-Präsident Georg Knill deutlich macht. Europa hat nämlich in vielen Bereichen eine bereits umweltschonende Industrie, die nun bestraft werden könnte.

Bedrohliche Wettbewerbsverschlechterungen

Das Konzept der EU-Kommission nennt sich “Fit for 55”. Mit ihm will die Gemeinschaft die Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Bis 2050 soll dann praktisch gar kein CO2 mehr ausgestoßen werden. Kernelemente sind eine europaweite Pflicht zum Kauf von CO2-Verschmutzungsrechten für Sprit, Heizöl oder Gas. Bis 2035 sollen darüber hinaus alle Neuwagen emissionsfrei sein. Das wäre das De-facto-Aus für herkömmliche Benzin- und Dieselautos. Die Vorschläge der Kommission müssen aber noch von den Mitgliedsstaaten und vom EU-Parlament gebilligt werden.

GLOBAL 2000 sieht “noch viel Luft nach oben”, Greenpeace hält Europa mit den Maßnahmen für “nicht fit” gegen die Klimakrise und dem WWF zufolge sei das alles “zu wenig und zu spät”. Warnende Worte erhebt hingegen IV-Präsident Georg Knill, der zwar das langfristige EU-Ziel, klimaneutral zu werden, teilt, aber auf die bedrohlichen Wettbewerbsverschlechterungen der derzeitigen Vorschläge aufmerksam macht.

Keine hinreichende Perspektive für Industrieunternehmen

Solange weltweit keine gleichen Wettbewerbsbedingungen bestünden, müssten Mehrbelastungen für Schlüsselindustriezweige verhindert werden. Deshalb erfordere das 2030 EU-Treibhausgasziel einen ausreichenden Abwanderungs- und Verlagerungsschutz. “Die heute präsentierten Eckpunkte genügen leider nicht im Ansatz, um Industrieunternehmen, die sich in einem globalen Wettbewerb befinden, eine hinreichende Perspektive für eine erfolgreiche Transformation am Standort Europa zu eröffnen”, sagt Knill.

„Einseitige Belastungen unbedingt vermeiden“

Als Industrie sehe man sich als Ermöglicher der Klimatransformation. Tatsächlich ist die europäische Industrie hier bereits auf einem guten Weg: “Nirgendwo auf der Welt wird eine Tonne Zement mit weniger CO2-Emissionen produziert als in Europa und auch die heimische Eisen- und Stahlindustrie ist Benchmark bei Nachhaltigkeit. Somit ist der Erhalt industrieller Produktion in der EU nicht nur für den Erhalt von Arbeitsplätzen, sondern auch klimapolitisch in unser aller Interesse”, unterstreicht der IV-Präsident.

Wegen der nötigen massiven Investitionen müssten „einseitige Belastungen für die europäische Industrie unbedingt vermieden werden.“

Umweltfreundliche Produktion in Europa bestraft

Konträr zu den Wünschen der IV will das Paket zurzeit den Abwanderungs- und Verlagerungsschutz (Carbon Leakage-Schutz) sogar reduzieren. Doch diesen Schutz brauche es gerade für jene Industriesektoren, bei denen sich Dekarbonisierungstechnologien erst in einer Pilotphase befinden, hält Knill fest. Sonst werde umweltfreundliche Produktion in Europa bestraft. Das könne auch der vorgeschlagene Carbon Border Adjustment Mechanismus (CBAM) nicht wettmachen, der Importe aus Regionen mit geringerem Klima- und Umweltschutz verteuern soll.

Angesichts der bevorstehenden Verhandlungen im EU-Rat und im Europäischem Parlament seien Bundesregierung und österreichischen Europa-Abgeordnete gefordert.