Das Verfassungsgericht in Bukarest hat den Einspruch gegen die Stichwahl abgelehnt. Das war ein symbolischer, aber gescheiterter Widerstand des jüngeren Kandidaten, der von der Diaspora seines Volkes stark unterstützt wurde. Auch er hatte die Chance zur Versöhnung, doch die liegt jetzt eher bei dem neu gewählten Präsidenten.

Es sollte nicht um große Gesten gehen, sondern um echte Wendepunkte. Eine Konsenskultur, die auf Dialog setzt, könnte der Anfang eines neuen politischen Zeitalters sein. Die rumänische Verfassung sieht dafür für den Präsidenten die Hauptrolle des Moderators vor.

Seine größte Herausforderung ist jetzt die Regierungsbildung. Die Erwartungen sind hoch, die Forderung nach Wandel stark. Aber dieser Wandel braucht Unterstützung von Parlament und Zivilgesellschaft, sonst bleibt alles nur ein Symbol. Und die Partei des Unterliegenen bleibt immerhin die zweitstärkste Kraft im Hohen Haus in Bukarest.

Was heißt heute, Rumäne zu sein?

Für viele: leben zwischen Sprachen, Grenzen und Identitäten und nirgends ganz dazugehören. Auf TikTok zerreißen enttäuschte Auslandsrumänen ihre Pässe wie ein stummer Schrei nach Zugehörigkeit. Doch wer seinen gültigen Ausweis zerstört, riskiert eine Straftat. Wahlfrust hin oder her: Das ist kein Spaß.

Was wie Freiheit wirkt, fühlt sich oft leer an. Der Staat? Für viele kalt und fern. Die Ungleichheit? Deutlich spürbar. Vertrauen in der Heimat? In der Diaspora kaum mehr vorhanden. Zuhause – ein Wort, das für viele längst bröckelt.

Es gibt aber Protest. Die Menschen machten ihr Wahlkreuz gegen das Establishment. Diese Enttäuschung hat ihren Weg gefunden. Nicht laut aber nachdrücklich. Die Wurzeln dieser demokratischen Revanche sind tief in der gesellschaftlichen Leere verankert. Nach der Wende in den 90ern, die Hoffnung brachte, folgten wirtschaftliche Krisen und soziale Brüche. Die bis heute nicht klar argumentierte Annullierung der Präsidialwahl im Vorjahr hat das Misstrauen nur verstärkt.

Zwei Lager, der Verlierer und der Gewinner, stehen sich heute nicht nur politisch, sondern auch emotional gegenüber. Millionen Menschen fühlen sich nicht mehr als Teil eines demokratischen Prozesses, sondern als betrogene Spieler in einem Match mit verdeckten Regeln. Die Enttäuschung ist tief, die Bereitschaft zur Abrechnung groß. Diese Revanche ist nicht nur das Resultat ausländischer Manipulation. Ihre Wurzeln liegen tiefer: in der Erfahrung der Gesellschaft, die über Jahrzehnte hinweg enttäuscht, auch belogen und zum Teil vergessen wurde. Der Umbruch der 1990er-Jahre brachte Hoffnung – doch viele wurden von der Realität überrollt. Was folgte, war eine Kette aus wirtschaftlichen Krisen und sozial-politischen Brüchen.

Ein neuer Präsident

Bald wird ein neuer Präsident vereidigt, und die Hoffnung ist groß, dass er das gespaltene Land vielleicht schon vereinen kann. Er muss sozial Frieden schaffen – wie ein moderner Pater Patriae. Cicero etwa erhielt diese Ehrung für seine Rolle bei der Aufdeckung der Catilinarischen Verschwörung. Doch keiner der vorherigen Präsidenten hat diese Rolle gut erfüllt. Die Erwartungen an den Neuen sind hoch, darum sollte dieser für alle da sein, egal wo sie leben oder welchen Status – ob sozial oder pekuniär – sie haben. Dafür braucht es mehr als politische Fähigkeiten. Es braucht eine Konsenskultur des Zuhörens und der Versöhnung, die aktuell im EU – Land Rumänien fehlt.

Stattdessen dominiert vielerorts ein Jahrmarkt des Lagerdenkens, durchzogen von akuter Polemik, Hass und Rachsucht. Geopolitische Symbolik wird lokal als Bühne missbraucht, mit Machtspielchen zwischen Hauptstädten wie Bukarest, Paris und Washington. All das soll angeblich fürs Volk kein Risiko darstellen, es sei denn, man zählt die Mischung aus moralischer Überheblichkeit „da oben“ und dem wachsenden Groll „da unten“ doch noch dazu. Bevormundung? Die politische Oberschicht probt sie – mal belehrend, mal gönnerhaft. Nur zuhören will ihr dabei kaum noch jemand.

Der neu gewählte Präsident startet mit hohem Erwartungsdruck. Rund 820.000 Stimmen Vorsprung sind sowohl Legitimation als auch Warnung: ein weiteres Scheitern wäre ein furchtbares Signal an der erschöpften rumänischen Gesellschaft innerhalb der EU.

Die Kontrahenten der Stichwahl

Der neue Staatspräsident Rumäniens ist Nicușor Dan, 55, bisher Bürgermeister von Bukarest, der die Stichwahl am 18.05.2025 mit 53,6 Prozent bei 64,72 Prozent Beteiligung gewann. Sein Herausforderer, George Simion, 38, Abgeordneter und AUR-Parteivorsitzender, ist besonders in der Diaspora beliebt und erhielt in Österreich 66,09 Prozent der Stimmen in der Stichwahl.