Alex Todericiu: Jedes Schrifterl ein Gifterl
Der Klassenkampf ist Geschichte. Die Linke hat sich selbst domestiziert. Die rumänischen Sozialdemokraten (PSD), aktuell stärkste Kraft im Parlament, bereiten ihren Parteitag im November vor und zeigen dabei, wie Politik zur Liturgie auf die politische Anpassung wird: Wer die Worte zähmt, lenkt auch das Wahlvolk.
„Am Anfang war das Wort“, heißt es im Johannesevangelium. In der Welt der rumänischen Genossen glaubt man inzwischen: Am Ende gehört es gestrichen. Wie das Portal G4Media in Bukarest berichtet, will Sorin Grindeanu, Alt-Ministerpräsident, amtierender Parteichef und bislang einziger Kandidat für die Wahl am 7. November, eine kleine, aber symbolträchtige Änderung durchsetzen: Das Wort „progressiv“ soll aus dem Parteistatut verschwinden.
Künftig soll dort sinngemäß stehen, man bekenne sich zu den demokratischen, nationalen, religiösen, traditionellen und kulturellen Werten des rumänischen Volkes.
Eine Formulierung wie ein Stimmungsbarometer
In der Stadt gilt „progressiv“ als Kompliment, auf dem Land klingt es eher nach Missverständnis. Zwischen beidem liegt weniger Ideologie als Tonfall. Die PSD sagt also mehr oder weniger dasselbe, nur bodenständiger, etwas gefälliger. Man möchte dazugehören, nah sein, verständlich bleiben. Ein Satz, der zeigt, wohin der Wind weht. Oder, frei nach Karl Marx: Fortschritt ist eigentlich, was die Mächtigen gerade dafür halten.
Natürlich bleibt die PSD Teil der Europäischen Sozialisten, die von Gleichstellung, Vielfalt und offenen Gesellschaften stolz sprechen. Doch Brüssel ist weit, die eigenen Wähler sind nah und auch nicht mehr so viele. Ein Teil von ihnen ist längst zur nationalkonservativen Partei AUR abgewandert, die in Umfragen stabil um die vierzig Prozent hält, während die PSD deutlich darunter bleibt.
So formt sich 2025 der linke Kanon: modern, aber schon vorsichtig; sozial, doch heimatverbunden; europäisch – warum nicht –, nur sprachlich lieber auf Nummer sicher, damit sich auch das Volk wiederfindet.Ja, am Anfang war das Wort. Und am Ende bleibt es beim Wort, in jener milden Form, die niemandem wehtut. Wenn die Mehrheit der Delegierten dafür stimmen wird… Halleluja.
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