Andreas Tögel: Der Sozialismus – eine anthropologische Konstante Salzburg
Der Sozialismus übt – ungeachtet seiner verheerenden Bilanz – auf viele Zeitgenossen immer noch eine starke Anziehungskraft aus, wie sich bei der zurückliegenden Landtagswahl in Salzburg wieder gezeigt hat. Ultrarot scheint dort zum neuen Grün zu werden, meint eXXpress-Kolumnist Andreas Tögel.
Der russische Mathematiker Igor Schafarewitsch, Mitstreiter von Andrej Sacharow und Kritiker des Sowjetsystems, publizierte im Jahr 1975 sein Buch „Der Todestrieb in der Geschichte – Erscheinungsformen des Sozialismus“, in dem er den Sozialismus eine „anthropologische Konstante“ nennt. Der Sozialismus übt – ungeachtet seiner verheerenden Bilanz – auf viele Zeitgenossen immer noch eine starke Anziehungskraft aus, wie sich bei der zurückliegenden Landtagswahl in Salzburg wieder gezeigt hat. Ultrarot scheint dort zum neuen Grün zu werden: 21 Prozent der Wähler in der Landeshauptstadt haben für die Kommunisten gestimmt.
Offensichtlich unterzieht sich kaum noch jemand der Mühe, Parteiprogramme zu lesen. Programmatische Inhalte scheinen nicht mehr zu interessieren. Für Wahlerfolge entscheidend ist vielmehr, wie attraktiv Spitzenkandidaten sind, wie sie sich präsentieren, und wie geschickt sie ihr Mäntelchen in den Wind des Zeitgeistes zu hängen verstehen.
KP-Spitzenkandidat hat mit Wohnungsmangel gepunktet
In Salzburg hat der KP-Spitzenkandidat mit grüner Vergangenheit, den vielen Bürgern drückend scheinenden Wohnungsmangel thematisiert, und damit gepunktet. Im Programm der KPÖ Salzburg steht das Thema Wohnen mit 69 Forderungen an der Spitze und nimmt den größten Teil des Textumfangs ein.
Schon der erste Satz hat´s in sich: „Wohnen ist ein Grundrecht und keine Ware.“ Aha! Dasselbe kann man indes auch von Nahrung, Bekleidung und Sex behaupten! Und wo bitteschön, können die Salzburger jetzt ihr Recht auf Wohnen, Wienerschnitzel, Textilien und Geschlechtsverkehr einklagen?
Der gesamte Text, der auch aus dem Dunstkreis der Grünen oder der SPÖ stammen könnte, liest sich, als ob Pippi Langstrumpf ihn verfasst hätte: „Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt“. Auf Zitate diverser Säulenheiliger des ultraroten Kults, wird in wohltuender Weise verzichtet. Dafür dampft das Programm von sozialer Wärme und wirkt – so wirklichkeitsfremd es ist – keineswegs abschreckend.
Kommunisten in Steiermark aus wesentlich härterem Holz geschnitzt
Aus wesentlich härterem Holz sind die Kommunisten in der Steiermark geschnitzt, wo in der Landeshauptstadt Graz seit 2021 eine kommunistische Bürgermeisterin das Regiment führt. Die steirische KP hat sich ein orthodox marxistisches Programm gegeben. In bester Sowjetmanier wird hier sattsam bekannte Grundsatzkritik am Kapitalismus geübt. Der Text liest sich, als ob Franz Muhri, ein von 1965 bis 1990 dem ZK der Bundespartei vorsitzender Stalinist, als Programmdirektor fungiert hätte. Der geneigte Leser erfährt unter anderem: „…hat die KPÖ das Ziel auf ihre Fahnen geschrieben, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Karl Marx). Ungeniert wird dem Denken des gefährlichsten geistigen Brandstifters des 19. Jahrhunderts gehuldigt.
Wie in linken Kreisen üblich, werden erwartungsgemäß „Steuergeschenke an die Reichen“ kritisiert. Steuergeschenk ist, nebenbei bemerkt, ein recht drolliger Begriff. Was darf man sich darunter vorstellen? Dass der Finanzminister Geld an Plutokraten verteilt? Das wohl nicht. Was gemeint ist, sei mit folgender Analogie illustriert: Ein Straßenräuber lauert einem Reisenden auf und beraubt ihn seiner Barschaft. Danach gibt er ihm ein paar Münzen wieder zurück. Die darf der Glückliche als „Geschenk“ behalten. Exakt das beschreibt das Wesen eines Steuergeschenkes – gleichviel, ob es Grüne, Rote oder Ultrarote sind, die davon phantasieren.
Untergang des Realsozialismus wird beklagt
Besonderen Witz beweist das Parteiprogramm an der Stelle, wo der Untergang des Realsozialismus in Europa beklagt wird: „Die gewaltige Niederlage des sozialistischen Lagers in Europa um 1990 war ein politischer Einschnitt ungeheuren Ausmaßes – Hoffnungen wurden enttäuscht und Fortschrittsperspektiven zerstört.“ Klar, Hoffnungen auf ein Leben im sozialistischen Plattenbauidyll in einer Mangelgesellschaft aufgeben zu müssen, drückt schon gehörig aufs Gemüt. Und die verlorene Perspektive, sich im Falle öffentlich geäußerter Kritik am Politbüro, in der Psychiatrie oder im Gulag wiederzufinden, ist sicher auch deprimierend.
Die steirischen Kommunisten halten es auch für nötig, die von Ökonomen der „Österreichischen Schule“ längst widerlegte „Mehrwerttheorie“ des Trierer Bohemiens aufzuwärmen, die besagt, dass die ruchlosen Kapitalisten ihre schamlos ausgebeuteten Lohnsklaven des „Mehrwerts“ ihrer Arbeit berauben. Dass diese Kapitalisten – in vielen Fällen sogar mehrere Jahre lang – in Vorleistung gehen müssen, um Produkte zu entwickeln, Grundstücke zu erwerben, Baulichkeiten zu errichten, Maschinen und Anlagen zu installieren, Personal anzuheuern und zu bezahlen, und das alles lange, bevor der erste Umsatz (ganz zu schweigen von Gewinn!) winkt, findet in der phantasievollen marxistischen Prosa keine Erwähnung.
Wenn ich mich nicht irre, war es Thomas von Aquin, der ein gutes Werk daran misst, dass drei Bedingungen erfüllt sind:
► Gute Intention
► Anwendung unproblematischer Mittel und
► Positive Ergebnisse.
Alle drei stehen im strikten Widerspruch zum Sozialismus, denn
► Gleichmacherei ist ohne Gewaltanwendung unmöglich. Die Ausübung von Gewalt vorauszusetzen, kennzeichnet aber keine gute Absicht
► Die Vorstellung, der Zweck heilige die Mittel, führt stets zur Anwendung inakzeptabler Methoden
► Die Ergebnisse sämtlicher realisierter sozialistischer Großexperimente (also jener, die das Ausmaß einen Kibbuz überschreiten), waren und sind ausnahmslos negativ.
Dass der Großteil der Medienzunft den Erfolg der Salzburger Kummerln wohlwollend kommentiert, kann, angesichts ihrer eigenen politischen Einordnung, nicht verwundern. Darüber, was sich die 11,7 Prozent der Wähler gedacht haben, die der KPÖ am 23. April ihre Stimme gegeben haben, darf allerdings gerätselt werden.
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