Andreas Tögel: Wir leben in "interessanten" Zeiten
In Europa pflegt man seinen Feinden die Pest an den Hals zu wünschen. In China geht man subtiler vor und verflucht ungeliebte Personen, indem man ihnen wünscht, „in interessanten Zeiten“ zu leben. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Der Chinesische Fluch ist über uns Europäer hereingebrochen. Seit 1945 hat es hier keine „interessanteren Zeiten“ gegeben, als eben jetzt, weiß eXXpress-Kolumnist Andreas Tögel.
Für den Staat, respektive jene Damen und Herren die ihn lenken, war und ist der Krieg ein Wachstumselixier. Im Krieg, wofür oder wogegen auch immer er geführt wird, ist jedes Mittel erlaubt, werden keine Kosten und Mühen gescheut, Kritiker werden mundtot gemacht und es wird derart unverschämt gelogen, wie sonst nur in Wahlkämpfen.
Wirtschaftssanktionen gegen einen Außenfeind zu verhängen, ist ein hochwirksames Mittel, um das Staatswachstum zu beschleunigen. Sie provozieren einerseits den Feind zu spiegelgleichen (oder noch härteren) Gegenmaßnahmen, die erhebliche wirtschaftliche Schäden in den eigenen Reihen anrichten, und scharen andererseits die Bürger dichter um die eigene Fahne, da sie dem Widersacher ja machtlos gegenüberstehen. Nur der eigene Staat/die Regierung kann helfen. Eine klassische Interventionsspirale, wie wir sie auch beim planlos geführten Kampf gegen die Pandemie erleben, ist die Folge: Erratische Politik bringt Existenzprobleme für zahllose Betriebe, an die in der Folge großzügig steuer- oder schuldenfinanzierte Almosen verteilt werden. Dazu und zur Kontrolle dieser „Rettungsmaßnahmen“ braucht es jede Menge Personal, für deren Alimentierung wieder der in der produktiven Wirtschaft wertschöpfend Tätige fronen darf.
Wollt ihr Butter oder Kanonen?
Wollt ihr Butter oder Kanonen? Eine Frage, die in dunklen Zeiten gestellt und leider falsch beantwortet wurde. Die richtige Antwort lautet – zumindest in der außerhalb des Gartens Eden liegenden Welt – beides. Natürlich ist jeder Euro, der für Panzer, Kriegsschiffe oder Abfangjäger ausgegeben wird, wirtschaftlich verloren. Von „Investitionen in die Rüstung“ zu sprechen ist daher ökonomisch falsch.
Denn eine Investition zeichnet sich ja dadurch aus, dass zu einem späteren Zeitpunkt – durch erhöhte Produktivität – ein höheres Wohlstandsniveau erreicht wird. Da Panzer, Flugzeugträger und Bombenflugzeuge aber nun einmal nichts zur Produktionssteigerung beitragen, erfolgt ihre Anschaffung faktisch à fonds perdu.
Wir leben nicht in einer perfekten Welt
Allerdings leben wir eben nicht in einer perfekten Welt. Für die Erhaltung des Friedens, der die Voraussetzung für eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung bildet, ist es gefährlich, auf wirksame Verteidigungsmaßnahmen zu verzichten: „Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg.“ Nie zuvor wurde das den sich in Wohlfahrtsstaatsbiotopen räkelnden EU-Bürgern klarer vor Augen geführt, als jetzt.
Wladimir Putin, der auf den Spuren der Zaren und Josef Stalins wandelt, hat es mit Gegnern zu tun, die sich seit Jahrzehnten für Butter und gegen Kanonen entschieden haben. Der russische Warlord schafft Fakten, die nicht mehr rückgängig zu machen sein werden. Mit Butter ist gegen Kanonen eben nicht anzukommen. Wer sich übrigens für die Hintergründe des aktuellen Dramas interessiert, dem sei die Lektüre des von Zbigniew Brzeziński 1997 veröffentlichten Buches „The Grand Chessboard“ (Seite 87ff) empfohlen. Der profunde Geopolitiker, Berater mehrerer US-Präsidenten, macht darin die Hintergründe des aktuellen Konflikts deutlich.
Die Abgehobenheit der Politeliten ins Rampenlicht gerückt
Gegenwärtig explodieren die Preise für Treibstoffe und Gas – ebenso wie der Goldpreis, der auf Allzeithoch steht. Wenn deutsche Grünpolitiker und EU-Granden den Menschen in dieser Situation raten, weniger zu heizen oder Wladimir Putin zu bestrafen, indem man weniger tankt, dann wirft das ein grelles Licht auf die Abgehobenheit der Politeliten Eurolands, die sich in ein surreales Paralleluniversum zurückgezogen haben, das mit der Lebensrealität von hart für ihren Unterhalt arbeitenden Menschen nichts mehr zu tun hat.
Zeit, die Systemfrage zu stellen
Wenn Treibstoffe inzwischen zweimal so viel kosten wie Milch, wird es Zeit, über die gewaltigen Steuern nachzudenken, die darauf lasten: Denn der Fiskus ist der einzige Profiteur der durch ihn (mit)verschuldeten Preisexplosion, unter der die Steuersklaven gegenwärtig leiden. Wenn es so weit kommt, dass die Bürger sich aufgrund der Inkompetenz ihrer heillos überforderten Regierungen entscheiden müssen, ob sie Treibstoff kaufen um zum Arbeitsplatz zu kommen, oder lieber ihre Wohnungen zu heizen, dann ist es Zeit, die Systemfrage zu stellen. Schließlich führt Otto Normalverbraucher nicht die Hälfte seines Einkommens oder mehr an den Staat ab, um auf Kiribati stattfindende Klimaschutzkonferenzen mit gutbezahlten Funktionären zu beschicken, sondern damit ihm ein Auskommen in Frieden und Sicherheit ermöglicht wird.
Kommentare