Anna Dobler: Öffentlich-Rechtliche Richter
Wenn Journalisten öffentlich-rechtlicher Medien nicht berichten, sondern richten, trifft es nicht selten andere Journalisten. Fast immer Andersdenkende, die ihre eigene Disziplinierung auch noch selbst finanzieren müssen.
Die Empörung war berechtigt. Jeder weiß, dass Antisemitismus-Vorwürfe schwer wiegen. Sie kosten Sympathien, Jobs, Karrieren. Gerade in Deutschland, wo man sich seiner historischen Verantwortung besonders bewusst ist. Solche Vorwürfe sollten daher nie leichtfertig und schon gar nicht instrumentalisierend erhoben werden. Ein renommierter Publizist, Kolumnist und früherer Herausgeber der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” sah sich aber plötzlich damit konfrontiert. Dazu muss man wissen, dass der 74-Jährige, wer sein Lebenswerk kennt, frei von jedem Verdacht ist. Und trotzdem wurde er in einem Magazinbeitrag des ZDF zum Thema Meinungsfreiheit in die antisemitische Ecke gedrängt – mit Hilfe eines gefälschten Zitats.
Was bleibt ist ein komisches Bild eines Tadellosen
Der Betroffene hatte sich schon früh auf Twitter dagegen zur Wehr gesetzt und später auch mit Anwälten vor dem LG Hamburg. Erfolgreich. Die Mainzer kassierten eine schwere Schlappe in dieser Causa und geben sich seither schmallippig. Es kann zweifellos angenommen werden, dass mehr Menschen damals den Beitrag gesehen haben, als jetzt diese Kolumne lesen oder überhaupt von dem wichtigen Urteil erfahren haben. In ihren Köpfen bleibt wohl ein komisches Bild eines tadellosen Mannes. Und er ist kein Einzelfall.
Öffentlich-rechtlicher Aktivismus
Einzelne öffentlich-rechtliche Redakteure (kein Generalverdacht!) schwingen sich immer wieder zum Richter über andere Journalisten auf. Betroffen war davon etwa schon ein bekannter Kolumnist der WELT, ein leitender Redakteur der BILD Zeitung oder auch ich selbst. Um diese Dynamiken zu verstehen, muss man nur einen Blick hinter die Mauern öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten werfen. Wer dort arbeiten, dem mangelt es in der Regel an nichts. Üppige Gehälter, beste Ausstattung und geregelte Arbeitszeiten. Weniger Druck, freundliches Umfeld, krisensicherer Job. Und trotzdem sind es nicht selten jene Kollegen, die am lautesten Jammern bei Journalismus-Tagungen. Die Wahrheit ist: Viele von ihnen kennen den journalistischen Arbeitsalltag außerhalb ihrer geschützten Mauern nur vom Hörensagen oder oder aus ganz blasser Erinnerung.
Für manche öffentlich-rechtliche Redaktionen bewirbt man sich nicht – man wird berufen. Wichtig sind dann unter anderem – natürlich nicht offiziell – Vitamin B, die richtige Haltung sowie kein allzu ausgeprägter Ehrgeiz, damit die unkündbare und auf Lebenszeit verpflichtete graue Eminenz am Ende des Flurs, also die Birkenstock-Kollegen, die nur noch die Jahre bis zur Pensionierung zählen, nicht allzu hart vor den Kopf gestoßen werden. Selbst als fester Freier verdient man dort bisweilen mehr als ein festangestellter Redakteur bei einem privaten Medium. Natürlich hat man dann nur den Charme einer Quasi-Behörde, aber das lässt sich verkraften, wenn man bei jedem Großereignis gleich mit einer Mannschaftsstärke in der Größe eines halben Fußballteams anrücken kann. Öffentlich-rechtliche Redakteure sind durch und durch privilegiert und vor diesem Hintergrund ist es umso schändlicher, dass manche von ihnen anderen Journalisten, die womöglich nur frei arbeiten oder sich ohne Kontakte nach oben schuften mussten, dann das Leben schwer machen, weil sie nicht die “richtige” Haltung vertreten.
Demonstrativ zur Schau gestellte Haltung
Schlimmer noch als diese selbsternannten Richter, ist aber ihr “Fußvolk”. Also jene freiberuflichen Blogger und Hobby-Schreiberlinge, die auch gerne eines Tages die Sneaker gegen Birkenstock tauschen möchten und sich deswegen bei den Richtern mit ganz viel zur Schau gestellter Haltung andienen. Dort, wo jeder normale Chefredakteur dem Treiben Grenzen setzen würde, blühen sie erst auf. Sie werfen dann mit all den verleumderischen Anschuldigungen um sich, die sie in ihrer Propaganda-Kiste finden (“Schwurbler”, “Nazi”, “Rassist”) und zwar so lange, bis irgendetwas hängen bleibt. Natürlich knallhart “recherchiert” anhand wichtiger “Beweise” wie Twitter-Likes und sieben Jahre alter Facebook-Kommentare. Rechte haben sich früher oft solcher Methoden bedient, doch Linke haben sie mittlerweile perfektioniert.
Und es ist extrem schwer ihnen beizukommen. Denn entweder haben sie kein (gültiges) Impressum oder sie nutzen mögliche Klagen sofort, um sich als Opfer der bösen Rechten zu stilisieren, inklusive öffentlichkeitswirksamer Spendensammlungen, während der tatsächlich Geschädigte auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko für sein Recht kämpfen muss.
Klima der Angst
Das zeigt neuerlich nur, wie schlecht es mittlerweile um die Diskussionskultur im deutschsprachigen Raum bestellt ist, die längst geprägt ist von einem Klima der Angst. Aber es gibt auch einen Hoffnungsschimmer: Der Kreis der “Ausgestoßenen” wächst. Jeden Tag.
Anna Dobler ist eine mehrfach ausgezeichnete, ausgebildete und studierte Journalistin und Kolumnistin. Nach beruflichen Stationen in Berlin, München, Italien und Salzburg, lebt und arbeitet sie mittlerweile in Wien. Auf Twitter setzt sich @Doblerin ein für freie Märkte und freie Meinung.
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