Bernhard Heinzlmaier: Das Zeitalter des politischen Geschwätzes
Es gibt wenig Anlass zur Hoffnung: Wenn Inflation, Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie weiter andauern, steht Europa am Rande einer Rezession. Doch wer glaubt, die Politik suche hektisch nach Lösungen, irrt. Die Politik ist überwiegend mit sich selbst beschäftigt, findet eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier.
Liest man den letzten Konjunkturbericht der FAZ, befällt einem die Angst. Inflation auf dem Höchststand seit 15 Jahren bei 8,1 Prozent im Europaraum, Verbrauchervertrauen im Keller, schrumpfende Kaufkraft, Krise der Industrieproduktion durch Lieferkettenprobleme, einzige Lichtblicke sind die Dienstleistungsbranche und der Tourismus. Was die Zukunft betrifft, gibt es wenig Anlass zur Hoffnung, vor allem dann, wenn man davon ausgeht, dass Inflation, geopolitische Spannungen und die Corona-Pandemie weiter andauern werden. Resümee: Europa steht am Rande einer Rezession.
Vor dem Hintergrund eines solchen Krisenszenarios, so würde man meinen, müsste in der Politik doch hektische Betriebsamkeit bei der Suche nach Problemlösungen vor allem für die besonders unter der Teuerung leidenden unteren und mittleren Schichten der Gesellschaft herrschen. Aber weit gefehlt, die Politik ist überwiegend mit sich selbst beschäftigt und damit, unerträgliche pathetische Sprachgebilde in Umlauf zu bringen.
Kogler hat einen Anfall von Betätigungsdrang bekommen
Der Bundespräsident ist ja zum Glück nach einer kurzen Aktivphase, in der er in der für ihn typischen monotonen und einschläfernden Rhetorik seine Kandidatur für eine weitere Amtsperiode bekannt gegeben hat, wieder in würdiger staatsmännischer Inaktivität erstarrt, dafür hat aber sein Parteifreund Werner Kogler einen Anfall von Betätigungsdrang bekommen. Im Zuge dessen ist er sogar poetisch geworden und hat versucht, uns die nunmehr überall herumstehenden potthässlichen Windräder als „bewegte Freiheitsstatuen“ zu verkaufen. Aus der Geschichte wissen wir, dass überall, wo das Pathos überbordet, großes Misstrauen angezeigt ist, weil dort häufig Manipulation und Lüge zu Hause sind. Die, die die Freiheit am häufigsten im Mund geführt und beschworen haben, waren am Ende nicht selten jene, die in ihrem Namen die grausamsten Diktaturen errichteten.
Rückkehr zur überheblichen Drohrhetorik
Diesen kleinen Ausflug in die pompöse Schwülstigkeit trivialer Sprachspiele hat Kogler aber in der Folge rasch beendet und ist zu dem zurückgekehrt, was Politiker ja am besten beherrschen, zur überheblichen Drohrhetorik und einer apodiktischen und unduldsamen Besserwisserei. So verlangte er nachdrücklich, dass die Hysterie um die Inflation aufhören müsse. Im Wesentlichen heißt das, dass das Heer der Normal- und Wenig-Verdiener mit ihrer Jammerei über astronomische Benzinpreise, explodierende Lebensmittelausgaben und immer weniger leistbare Mieten endlich Schluss machen sollten. Und aus Koglers Sicht ist das ja auch völlig verständlich, denn wie kommt ein Superreicher mit einem Monatseinkommen von fast 20.000 Euro brutto dazu, sich täglich die Stimmung durch Armut, die sich expressiv inszeniert, versauen zu lassen. Kogler hat mit seinem emotionalen Ausfall, für den er sich ein paar Tage später natürlich entschuldigt hat, selbstbewusst sein Recht eingefordert, ungestört von sozialem Elend in seiner woken grünen Traumwelt leben zu dürfen, in der Windräder heilig sind, die Sprache Wirklichkeit schafft und in der man sogar problemlos sein biologisches Geschlecht wechseln kann, wenn man sich das ganz stark wünscht.
Besonders unerträgliches Übel: die Schuld-Sühne-Kultur
Ein besonders unerträgliches Übel unserer Zeit ist, das muss an dieser Stelle angemerkt werden, diese verstaubte Schuld-Sühne-Kultur, die von der woken linken Inquisitionsbewegung aus den Beichtstühlen des Katholizismus herausgeholt und in die gesamte Gesellschaft hinein verbreitet wurde. Wie kleine Kinder müssen heute erwachsene Menschen öffentlich um Verzeihung bitten für ihre Verfehlungen. Entschuldigen sie sich theatralisch, dann dürfen sie wie ein geprügelter Hund von dannen schleichen und vielleicht in ihrem politischen Amt, ihrer Lehrstelle an der Uni oder ihrem Job im öffentlichen Dienst verbleiben. So etwas kann sich nur in Zeiten ereignen, in denen es eine Sünde ist, eine eigene Meinung zu haben, die vom herrschenden Wohlfahrtsausschuss der Erleuchteten, Auserwählten und Gesalbten abweicht. Hier wird eindeutig nach einem Grundsatz der säkularen Religion des Maoismus verfahren, die das Prinzip „Bestrafe einen, erziehe Hunderte“ lehrt. Und die Erziehung durch öffentliches Abstrafen wirkt. Das belegt die neueste Jugendstudie zu den Werten und Einstellungen der Generation Z. Aus der geht hervor, dass die Mehrheit der österreichischen Jugendlichen die eigene Meinung, aus Angst bestraft zu werden, zurückhält. Besonders wenn es um den Islam, die LGBTQ-Bewegung und die Migration geht, hält man aus Angst vor Unannehmlichkeiten den Mund.
Baerbock – eine Künstlerin des banalen Aphorismus
Geschwätzt wird aber auch in Deutschland und dort besonders von der Oberschwurblerin der Politik, der grünen Kriegsaußenministerin Baerbock. Baerbock hat sich in den letzten Wochen als eine wahre Künstlerin des banalen Aphorismus erwiesen. So viele Kalendersprüche wie diese Frau haut so schnell keiner raus. Hervorstechend dabei der Satz, gesprochen am Ort der Kriegsverbrechen von Mariupol: „Diese Opfer, das spürt man hier so eindringlich, könnten wir sein.“ Hier offenbart sich eine Art des Sprechens, die nach dem Prinzip „bevor ich nichts sage, sage ich irgendetwas“ funktioniert. Was ist das bloß für ein aufdringliches Wir, dass sich wenig einfühlsam in die Opferschaft eines Massakers einzuschleichen versucht? Auch als Repräsentantin der Weltpolitik, als solche empfindet sich Baerbock offenbar, sollte man angesichts der Grauen des Krieges das tun, was der Anstand gebietet, pietätvoll schweigen. Dem normalen Menschen verschlägt es die Sprache, wenn sich ihm der Horror des Krieges vergegenwärtigt. Politiker hingegen glauben auch noch das Unsägliche kommentieren zu müssen oder missbrauchen es gar zur Profilierung ihrer politischen Rolle.
Krieg wird zum kulturindustriellen Ereignis
Die Form, wie mit dem Krieg in der Ukraine umgegangen wird, dürfte das Menetekel eines bevorstehenden Paradigmenwechsels in der europäischen Linken sein. Hatten früher Friedenssicherung und das diplomatische Bemühen um die Beendigung von militärischen Konflikten für sie Priorität, so reihen sich nun vor allem die Ökolinken in den Chor der Bellizisten ein. Anstelle „die Waffen nieder“ wird „die Ukraine muss gewinnen“ skandiert. Es scheint dieser Krieg tatsächlich immer mehr zu einem kulturindustriellen Ereignis zu werden. Immer häufiger ist zu beobachten, dass Menschen, wie sonst anlässlich von Fußballweltmeisterschaften, die ukrainische Fahne aus dem Fenster hängen. Der Krieg als Unterhaltungsspektakel einer gelangweilten Kultur des Niedergangs?
Humanitär denkende und intelligente Menschen sollten wissen, dass es bei einem Krieg nicht darauf ankommt, wer ihn gewinnt, sondern darauf, ihn so schnell wie möglich zu beenden. Jeden Tag, an dem ein Krieg geführt wird, sterben Soldaten, Frauen, Kinder, alte Menschen. Sie alle haben gemeinsam, dass ihnen die ganzen hären Ziele und hohen Ideale, die von den kriegsführenden Parteien als Gründe für ihr Tun verbreitet werden, völlig egal sind. Sie wollen einfach leben und in Ruhe gelassen werden von Nato, Amerika, Russland, China und ihren Machtansprüchen und Ideologien und vom Geschwätz der Baerbocks und Koglers, die ihr ganzes Leben nichts anderes getan haben, als Menschen zu repräsentieren, von deren Wünschen und Bedürfnissen sie keinen Funken Ahnung haben.
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