Bernhard Heinzlmaier: Der Todestrieb der Linken
Letzte Woche hat mir ein Freund einen Aphorismus des kolumbianischen Philosophen Davila zugesandt, der lautet: „Rechts wird man nicht, wenn man den Rechten zuhört, sondern wenn man den Linken zuhört.“ Bis dato ist mir keine treffendere Charakterisierung der Wirkungsweise des gegenwärtigen linken Treibens in die Hände gefallen, schreibt eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier.
Die Linke produziert heute die rechte Wählerschaft, die sie hingebungsvoll bekämpft, überwiegend selbst. Die rechten Parteien, und das gilt für ganz Mitteleuropa, müssen sich nur bequem zurücklehnen und können genüsslich dabei zusehen, wie linkes wokes Palaver und identitätspolitisches Geschwurbel ihnen die Fische ins Netz treiben. Will man als Rechter heute erfolgreich sein, besteht die Kunst einzig darin, still und leise den lebensfremden Wahnsinn, der uns täglich aus Progressiv-Absurdistan erreicht, einfach unkommentiert weiter zu verbreiten
Ein neuer Höhepunkt an esoterisch-weltanschaulicher Verdrehtheit, wurde anlässlich des internationalen Frauen-Tages am 8. März erreicht. War zu Zeiten einer Johanna Dohnal dieser Tag noch dem Kampf für die Rechte der Frauen der Arbeiterklasse aus den Gemeindebauten gewidmet, so haben heute dort Trans-Personen, LGBTQ-Aktivisten und lebensfremde Radikal-Feministinnen das Kommando an sich gerissen. Diese „rich kids“ aus dem akademischen Milieu thematisierten in ihren Reden in erster Linie ihre instabilen Identitäten und die grotesken Forderungen an die Gesellschaft, die sie aus ihren persönlichen Kleingruppenproblemen ableiten. Inflation, Teuerungswelle und die von den Grünen mitproduzierte Energiekrise, die besonders die mittleren und unteren Sozialschichten belasten, wurden nur in Nebensätzen erwähnt. Um Armut und andere soziale Benachteiligungen wahrzunehmen, fehlt den Queer-Aktivisten offensichtlich die empathische Veranlagung. Anstelle dessen wurde in holpriger Gendersprache über toxische Männlichkeit und privilegierte alte weiße Männer geschwurbelt.
Kreuzzüge gegen "alte, weiße Männer"
Die jungen Aktivisten der LGBTQ-Community sind hoch aggressiv. Ähnlich den Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“, suchen sie nicht den Diskurs um zu überzeugen. Sie verkünden Wahrheiten und wer diese nicht annimmt, wird in den sozialen Medien fertiggemacht. Anstelle zu diskutieren, führt die Linke heute Kreuzzüge und jedes Mittel zur Durchsetzung ihrer Lehren ist ihr recht. Einen alten privilegierten weißen Mann zur Strecke zu bringen, gilt unter Linken als Ehren-Tat und wem es gelingt, der wird bewundert und verehrt. Um als Zielobjekt für Hass und Vernichtungswut zu dienen, muss man nicht unbedingt am Leben sein. Wir kennen die Praxis, Tote auszugraben, vor Gericht zu stellen und zu bestrafen aus der mittelalterlichen Kirchengeschichte. Im Jahr 887 wurde in Rom die bereits in Verwesung befindliche Leiche von Papst Formosus aus der Gruft geholt, in päpstlicher Kleidung auf den Thron gesetzt, angeklagt und verurteilt. Am Ende entkleidete man den Toten, hackte ihm die Schwurfinger ab und warf die Leiche in den Tiber.
Ganz in der Tradition der religiösen Fanatiker des 9. Jahrhunderts trat auf der Bühne der bizarren Veranstaltung ein junger blondierter Großinquisitor auf und beklagte, dass der Park, in dem man sich befand, den Namen Sigmund Freuds trägt, und zog in geschmackloser Weise über den 1939 in London verstorbenen Begründer der Psychoanalyse her. „Sigmund Freud ist zum Glück ein toter Beweis, dass weiße Männer bis in die Endlosigkeit gehypt werden“, rief er in die johlende progressive Menge. Ein Toter wurde so symbolisch exhumiert, öffentlich an den Pranger gestellt und seiner Würde beraubt. Später legten die Eiferer auf Twitter nach und begründeten die Wiederholung der Leichensynode damit, dass Freud bis zum heutigen Tag „unverdiente Privilegien“ genießen würde. Werke wie „Die Traumdeutung“, „Das Unbehagen in der Kultur“ oder „Totem und Tabu“ und die Begründung einer weltweit anerkannten therapeutischen Schule reichen für die queeren Oberlehrer offenbar nicht für das unglaubliche Privileg, dass ein Park in Wien den Namen des Pioniers der modernen Psychotherapie tragen darf.
Frauen mit Penis
Wem hingegen von Linken nicht genug Ehre und Anerkennung erwiesen werden kann, das sind tanzende weiblich kostümierte Männer, die nun in Wien auf Tournee gehen wollen. Dagegen wäre selbstverständlich nichts einzuwenden, würden diese in Nachtklubs und Stripteasebars auftreten. Das Angebot richtet sich aber nicht an Nachtschwärmer, die an exotisch-skurriler Unterhaltung interessiert sind, sondern an Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren. Videos zeigen, wie die „Künstler“ – nackten Derwischen gleich – in Strings, eng anliegenden Trikots, Plateaustöckelschuhen und kurzen Kleidchen vor kleinen Kindern und Jugendlichen herumtanzen und erotisch mit dem Hintern wackeln. Linke Journalisten werfen sich bereits für die groteske Show in die Bresche und bekunden voll Stolz, dass sie ihre Kinder sofort zu solchen Veranstaltungen schicken würden. Sollte es in diesem Land noch einen ernsthaften Kinder- und Jugendschutz geben, dann muss der Staat hier eingreifen und den Besuch dieser Veranstaltungen durch Kinder verhindern, egal ob es den Eltern passt oder nicht. Denn es gibt ein allgemeines Interesse daran, dass Minderjährige nicht durch die sexualisierte Selbstdarstellung von Trans-Personen schockiert oder gar traumatisiert werden.
Kommen wir zurück zum Gemeindebau. Bei den dort lebenden Nicht-Bobos, also normalen Menschen, würde man schon Kopfschütteln oder gar einen hysterischen Lach-Flash ernten, würde man sie damit konfrontieren, dass es jetzt auch Frauen mit Penis gibt. Völlig vorbei mit der guten Stimmung wäre es aber, würde man ihren Kindern die sexualisierten Tänze von Dragqueens vorführen. Und würden sie noch erfahren, dass es bei der Aktion darum geht, den Kindern nicht-heterosexuelle Vorbilder zu liefern, würden sie wohl, und das mit Recht, völlig die Fassung und den Glauben an den Staat verlieren.
Die Linke wird zunehmend in die Defensive geraten
Die woke Linke hat ein massives Problem. Dieses besteht darin, dass sie alles, was sie selbst für schön, gut und richtig hält, der Allgemeinheit autoritär zu verordnen versucht. Dieser Gruppenegoismus erinnert an die primitive Stammeskultur der Ur- und Frühgeschichte. In dieser Zeit wurden benachbarte Stämme rücksichtslos niedergemacht, wenn sie andere totemistische Rituale pflegten. Ernst Jünger hat das Übergreifen des archaischen Tribalismus auf die Moderne mit beängstigender Klarheit beschrieben. Er schreibt: „Der primitive Mensch dagegen huldigt der Maxime: „Was meine Gruppe tut, ist gut.“ Und leider scheint es, dass diese Primitivität ununterbrochen zunimmt und mit ihr der zoologische Charakter der Politik.“ Die Linke agiert heute wie ein urgeschichtlicher Stamm, der die eigene Kultur für die einzig legitime hält und allen, die sich dieser nicht unterordnen wollen, aggressiv auf die Pelle rückt. Mit dieser rücksichtslosen Konfliktkultur aus vordemokratischen Zeiten, frustriert sie alle jene, die weiterhin in einer pluralistischen Gesellschaft leben wollen, in der die Freiheit des Individuums mehr zählt als die Rituale, Normen und Ansprüche identitärer stammesähnlicher Gruppen. Bleibt die Linke bei diesem vorzivilisatorischen Brauchtum, wird sie zunehmend in die Defensive geraten und am Ende verschwinden wie die tribalistischen Formationen der Vergangenheit. Richtig traurig wird darüber dann kaum jemand sein.
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