Bernhard Heinzlmaier: Die Würfel sind gefallen – Rendi-Wagner wird Kanzlerin
Nach der kommenden Wahl hat Österreich ein rot-pink-grüne Koalition. Bemerkenswert ist nur, wie widerstandslos sich die ÖVP erledigen lässt. Dabei dürften sich die Linken mit dem Erreichten noch nicht zufrieden geben. Diesmal wollen sie mit der ÖVP Schluss machen, ein für alle Mal, findet eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier.
Die nächste Kanzlerin der Republik wird Rendi-Wagner heißen. Als ihre Stellvertreterin wird Beate Meinl-Reisinger fungieren, weitere Führungspositionen auf Regierungsebene werden wohl Leonore Gewessler und Sigrid Maurer bekleiden. Für letztere wird die kommende Rot-Pink-Grüne-Koalition auch persönlich ein großer Befreiungsschlag sein und ihr vor allem wieder das zurückbringen, was sie in den letzten Jahren der ökokonservativen Koalition mit der ÖVP auf dem Altar der Bündnisraison als Opfer darbringen musste: ihre Integrität und ihre Authentizität. Denn Maurer ist eine in der Wolle gefärbte Linke. Ihr politischer Ursprung ist die am linken Rand des politischen Spektrums angesiedelte Österreichische Hochschülerschaft, aus der auch viele andere Identifikations- und Symbolfiguren der Linken hervorgegangen sind, wie zum Beispiel die Sozialistin Natascha Strobl, die zuletzt durch ein Hassbuch gegen den Konservativismus aufgefallen ist, für das sie vom Bruno-Kreisky-Forum auch prompt ausgezeichnet wurde.
Wenn es ein Leben nach dem Tod geben würde, was ja zum Glück nicht der Fall ist, würde Kreisky im Jenseits vor Wut toben, müsste er doch dabei zusehen, was mit seinem geistigen und politischen Erbe von ein paar Kulturlinken aufgeführt wird. Das Kreisky-Forum ist ein gutes Beispiel für das, was sich in den letzten Jahren in vielen Vorfeldorganisationen der SPÖ ereignet hat, die Übernahme der Macht durch stramm linke Beutegemeinschaften. Von diesen Brückenköpfen aus nehmen sie gerade einige Landesorganisationen ins Visier. Es ist davon auszugehen, dass hinter dem Rücken der Parteiführung dort und da bereits die Vorbereitungen zur Machtübernahme laufen.
Hans Peter Doskozil, der große Verlierer, wird bald sehr pflegeleicht sein
Die große Siegerin in den Reihen der SPÖ, die nach neuesten Umfragen bereits elf Prozent vor der ÖVP liegt, ist Pamela Rendi-Wagner. Sie hat starke Nerven und Steherqualitäten bewiesen, indem sie trotz extremer Angriffe und Anfeindungen die Stellung gehalten hat. Zudem hat sie sich die richtigen Bündnispartner gesucht. Michael Ludwig und Doris Bures sind wohl die gewieftesten Taktiker der SPÖ. Sie sind beide unter Werner Faymann in der SPÖ Wien groß geworden, dem wohl begabtesten Strategen der Macht seit Anbeginn dieser Partei. Mit Politik im engeren und inhaltlichen Sinn haben sowohl Ludwig und Bures als auch Rendi-Wagner niemals viel am Hut gehabt. Als luzide Intellektuelle sind alle drei nicht hervorgetreten, in den großen Theoriedebatten der europäischen Linken, zum Beispiel um die eines dritten Weges zwischen Kapitalismus und realen Sozialismus, waren sie niemals präsent. Intellektuelle Führungsfiguren waren da Michael Häupl, die Brüder Cap oder der Journalist Peter Pelinka. Diesen Geistesgrößen hätten sie bestenfalls beim Abtippen ihrer Vortragsmanuskripte helfen können, mehr aber auch schon nicht. Es ist nicht zuletzt auch ein Symbol für den gegenwärtigen Zustand der SPÖ, wenn es ein solcher bürokratischer und intellektuell karger Funktionärstypus an die Spitze des Machtzentrums der Partei geschafft hat. Aufgrund des Umfragehöhenfluges der SPÖ hat sich das Dreigestirn Rendi-Wagner, Ludwig und Bures samt ihrem braven Knecht Ruprecht Christian Deutsch an der Parteispitze einzementiert. Gelohnt hat sich das Spiel auch für den geduldigen Jörg Leichtfried, ein Politiker ohne jede mediale Begabung, der seiner lange umstrittenen Chefin über Jahre brav die Schleppe getragen hat. Nach den Wahlen wird er wohl den Sprung an die Spitze der Fraktion schaffen. Dort wird ihm die wichtige Aufgabe zukommen, diese zu narkotisieren, denn wenn eine Partei regiert, dann ist ihre Parlamentsfraktion allein dazu da, den Regierenden Applaus zu spenden und Würdigungsreden zu halten. Zu den großen Verlierern des für viele unerwartet kommenden Höhenfluges der SPÖ gehört Hans Peter Doskozil. Er wird die nächsten Jahre seiner politischen Karriere im Burgenland verbringen und dabei auf für ihn ungewöhnliche Art still, leise und pflegeleicht sein. Wenn er etwas braucht, und er wird oft etwas brauchen, wird er im Büßerhemd den Canossagang zu den Ministern Rendi-Wagners antreten müssen. Für jeden kleinen Benefit wird er mit Wohlverhalten zu bezahlen haben.
Auch für Franz Schnabl in NÖ könnte es noch ungemütlich werden
Am Ende seiner politischen Laufbahn könnte es auch für den Landesvorsitzenden der SPÖ Niederösterreich, Franz Schnabl, noch ziemlich ungemütlich werden. Tonnenschwer wird ihm wohl eine seiner Aktionen gegen Rendi-Wagner aus dem Jahr 2019 auf den Kopf fallen. Damals hat er seinen Vertrauten Andreas Kollross vorgeschickt, der mit den Worten „Manchmal muss man zur Kenntnis nehmen, dass es nicht mehr geht. Aus. Schluss. Vorbei.“ den Rücktritt der Parteivorsitzenden auf Twitter forderte. Der Angriff aus Niederösterreich erwies sich jedoch als Rohrkrepierer. Wie der Flurfunk der SPÖ schadenfroh verlautete, ließ Ludwig Schnabl ins Rathaus kommen, klärte ihn über den Finanzierungsbedarf der Bundespartei auf und skizzierte die Summen, die zu bezahlen wären, falls er dort die Macht übernehmen wolle. Schnabl reiste danach wieder nach Niederösterreich zurück und seit damals hat man von ihm nur wohlwollende Worte über Rendi-Wagner gehört.
Die ÖVP konnte nicht dauerhaft gegen ORF, Wochenmagazine, Teile der Justiz und die Intellektuellen regieren
Der größte Verlierer des Umschlagens der politischen Stimmung in Österreich ist die ÖVP. Sie ist mit einem Jungstar angetreten, um für lange Zeit das Land zu regieren. Der Aufstieg der Partei war rasant, zu Zeiten des Ibiza-Skandals und des Anfangs der Corona-Pandemie kratzte sie sogar an der absoluten Mehrheit. Doch dann ging es bergab. Die ÖVP musste schmerzlich zur Kenntnis nehmen, dass es unmöglich ist, gegen eine Allianz aus ORF, Boulevard, der politischen Wochenmagazine und Teilen der Justiz zu regieren. Darüber hinaus lag der Fehler der ÖVP wohl auch darin, dass sie über Jahre hinweg die Kultureliten und die akademische Intelligenz vernachlässigt hatte. Beide muss man systematisch anfüttern, sowohl mit Fördermitteln als auch mit überschwänglicher Anerkennung. Dabei hat vor allem der sonst so geniale Sebastian Kurz Fehler gemacht. Er und sein Umfeld vermittelten den narzisstischen Künstlern, Schauspielern, Literaten und Zeitungsschreiberlingen den Eindruck, als würden sie auf sie herabblicken. Dass ihnen die Macht dermaßen unumwunden signalisierte, dass sie nicht von ihr gebraucht würden, verursachte narzisstische Kränkungen und löste blanken Hass aus. Während einst Kreisky die Einladung an die Intelligenz aussprach, ihn ein Stück des Weges zu begleiten, zeigte ihr Kurz die eiskalte Schulter. Damit war sein Schicksal besiegelt.
Die ÖVP wird – endlich – kämpfen müssen um den Medienkrieg gegen sie zu überleben
Eines ist aber trotzdem bemerkenswert. Warum lässt sich die ÖVP fast schon demonstrativ ohne Widerstand erledigen? Offensichtlich geht es den schwarzen Landeshauptleuten primär um die Erhaltung der Macht in ihrem Bundesland. Diese wollen sie nicht durch ein Engagement im Bund riskieren. Und so macht es die ÖVP wieder, wie sie es in der Vergangenheit schon getan hat, sie überlässt das Bundeskanzleramt der SPÖ und zieht sich auf die relativ sicheren Latifundien zurück. Ob die Rechnung aber diesmal aufgeht, ist mehr als zweifelhaft. Denn auch die mächtigen ländlichen Bastionen sind fragil geworden. Und es ist auch nicht damit zu rechnen, dass sich die linken Medieneliten mit dem Erreichten zufriedengeben. Diesmal wollen sie mit der ÖVP Schluss machen, ein für alle Mal. Die ÖVP wird also kämpfen müssen, will sie den Medienkrieg gegen sie überleben.
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