
Bernhard Heinzlmaier: Ketzerische Gedanken zur Pride Parade
Einmal im Jahr wird in Wien emphatisch der Untergang des biologischen Geschlechts zelebriert. Das feierliche Ereignis nennt sich Pride Parade und bringt hunderttausend Menschen auf die Straße. Im Kern ist die Veranstaltung Werbung für die Beliebigkeit der Geschlechtszugehörigkeit.
Tatsächlich sind in Österreich echte Transpersonen rar. Neueste Zahlen sprechen von sechshundert Menschen. Von der Vogelart des Braunkehlchens (Saxicola rubetra), gibt es in Österreich auch lediglich sechshundert Individuen. Dementsprechend wird um das Tier kein Aufhebens gemacht. Man lässt das seltene Wesen in Ruhe sein Leben fristen. Vielleicht sollte man nach diesem Beispiel auch mit den wenigen Menschen verfahren, die in unserem Land unter Geschlechtsdysphorie leiden. Sie im Stillen begleiten, ihnen ihr Schicksal erträglicher machen. Man hat sich aber genau für das Gegenteil entschieden und macht aus einer psychischen Krise eine Sensation. Und so werden die Menschen im falschen Körper als sexuelle Skurrilitäten auf einer als Protestkundgebung getarnten kommerziellen Unterhaltungsshow inszeniert, medial ausgebeutet, zum Konsumobjekt, ja geradezu zum Ideal umgedeutet.
Von der Wirtschaft geförderter Exhibitionismus
Menschen, die sich ernsthaft im falschen Körper fühlen, sind eine zu kleine Gruppe, um bei der Werbewirtschaft Begehrlichkeiten zu wecken. Deshalb bietet die „Pride Parade“ ein umfangreiches Bouquet an aufregenden alternativen sexuellen Identitäten an, eine riesige konsumfreudige Zielgruppe. Allen beteiligten sexuellen Spielarten ist gemein, dass sie aus ihrer Sexualität eine öffentliche Angelegenheit machen wollen. Am Werbemarkt ist der Massenzugang Macht. Wer Massen erreichen kann, dem fliegen die Herzen der Markenartikler und der Marketingagenturen zu. Von der Wirtschaft werden die Veranstalter der Pride Parade hofiert, weil sie den Zugang zu hunderttausend konsumfreudigen Hedonisten kontrollieren. Dass der Deal mit der Wirtschaft funktioniert hat, konnte man daran erkennen, dass der gesamte Sex-Umzug fast lückenlos „durchgebrandet“ war, das heißt, noch die kleinste Umzugskarre war vollgepflastert mit Markenlogos. Das Werbegeld muss also gesprudelt sein. Zusammen mit den großzügigen Förderungen der Stadt Wien ist wohl eine stattliche Summe zusammengekommen. Die Veranstalter werden wohl einen guten Grund gehabt haben, am Abend nach dem Event ordentlich miteinander anzustoßen.
Vor 25 Jahren fand in Wien die „Free Party“ statt. Auch sie tarnte sich als politische Demonstration, um die Kosten des Massenereignisses wie den Einsatz von Sicherheitskräften, die Müllbeseitigung etc. auf den Steuerzahler abwälzen zu können. Nicht anders war es bei der „Pride Parade“. Auch bei ihr blieben die Kosten für Polizei und Müllabfuhr bei der Stadt Wien und die Erträge beim Veranstalter. Wie seinerzeit bei der „Free Party“, hat sich auch um die „Pride Parade“ längst ein Mikrokosmos von kommerziellen Unternehmen gebildet. Und diese Blase lebt vor allem davon, dass ein Treffen von exzessiven Hedonisten kleinbürgerlich-verklemmtes Publikum und die Medien anzieht. Das war schon bei der „Free Party“ so. Je mehr nackte Haut, desto mehr gaffende Kleinbürger. Nacktheit und Sex sind noch immer die beste Verkaufsförderung. Das weiß selbst der Provinz-Installateur. Deswegen ziert seinen Firmenwagen das Bild einer nackten Schönheit unter der Dusche.
Kinder und Minderjährige als schutzloses Freiwild des Sex-Karnevals
Längst ist die LGBTQ Community zum Heiligtum der Postmoderne geworden. An die Stelle der alten Kirchen ist als spirituelles Ersatzobjekt das Theater der sexuellen Identitäten getreten. Wie bei den alten Religionen ist auch bei den neuen kommerziellen Massenkulten Kritik verboten. Kritiker werden ähnlich den mittelalterlichen Ketzern an den Pranger gestellt. Der feiernden LGBTQ-Gemeinde ist jeder Tabubruch gestattet. So berichtete der bekannte Kolumnist Martenstein in der Tageszeitung „Die Welt“ von seinem ursprünglich arglosen Besuch einer queeren Parade mit seinem kleinen Kind. Er musste die Veranstaltung fluchtartig verlassen, weil sich direkt vor ihnen auf einem der Wagen ein homosexueller Geschlechtsverkehr ereignete.
Und auch die österreichische Pride Parade war keineswegs jugendfrei. Massenhaft sah man Exhibitionisten in Fetisch-Kleidung, wie sie der achtsame Mensch nur zu Hause oder im Swingerclub trägt. Man ist nicht prüde, wenn man von den Veranstaltern solcher Sex-Paraden verlangt, auf Kinder Rücksicht zu nehmen und ihnen nicht entblößte Silikontitten oder ähnliches vor die Augen zu halten. Jedenfalls merkt Martenstein berechtigterweise an, dass ein Umzug dieser Art, würden ihn Sexshops, Bordelle und Swingerclubs veranstalten, niemals genehmigt werden würde. Der rücksichtslose Exhibitionismus dieses Porno-Karnevals hingegen ist heilig. Die Behörden lassen die nackten Derwische gewähren, schon alleine deshalb, weil sie Angst haben, anderenfalls als queerfeindlich zu gelten.
Öffentliche Sex-Paraden als Zeichen des kulturellen Niedergangs
Massenereignissen sollte man sich mit Skepsis nähern. Warum? Weil Massen von Affekten und Emotionen und nicht von der Vernunft geleitet werden. Schon Sigmund Freud hat darauf hingewiesen, dass die spontane Masse unvernünftig und regressiv ist. In ihr sinkt der Mensch zu einem fremdbestimmten Objekt herab, das im Massenwahn seiner Selbstkontrolle und seiner Würde verlustig geht. Wer sich der Masse ausliefert, der begibt sich in eine impulsgetriebene Meute hinein, die „Züge von Schwächung der intellektuellen Leistung“ zeigt, unfähig „zur Mäßigung und zum Aufschub von Triebregungen“ ist und zur „Überschreitung aller Schranken in der Gefühlsäußerung“ neigt.
Alle diese Pathologien, die Sigmund Freud in seinem Werk „Massenpsychologie und Ich-Analyse“ aufführt, zeigen sich bei queeren Paraden. Auf den Umzugswägen toben die nackten Derwische, auf der Straße zucken chemisch aufgeputschte Leiber, die in Sex-Shop-Klamotten stecken und dazwischen schleichen Exhibitionisten beiderlei Geschlechts umher, die alles das zeigen, was in einer Zivilisation normalerweise unter der Kleidung verborgen bleibt. Die postmodernen Sex-Paraden sind untrügliche Zeichen für den Niedergang einer dekadenten, im Verblühen begriffenen Gesellschaft. In einer solchen verschwimmen die Grenzen zwischen öffentlich und privat und weicht die Tugend der Scham dem Exzess der Selbstentblößung. Die rücksichtslose Enthüllung und die Offenlegung alles Persönlichen werden auf Internetplattformen eingeübt, um sich später auf der Ringstraße im totalen Seelen- und Körper-Striptease zu entäußern. Wir sind eine Gesellschaft, die keine Zurückhaltung, keine Noblesse, keinen Stil, keine Rücksichtnahme auf die Gefühle anderer mehr kennt. Jede verkorkste Innerlichkeit wird öffentlich gemacht, jede sexuelle Orientierung bis zur letzten dunklen Ecke ausgeleuchtet und präsentiert, jede Perversion der Allgemeinheit schonungslos vor Augen geführt. Die „Pride Parade“ zeigt uns unsere Zukunft. Eine substanzlose, oberflächliche, total durchkommerzialisierte Gesellschaft des Spektakels, in der alles zur Ware gemacht wird, einschließlich des Menschen und seines Körpers.
Das Abscheulichste von allem aber ist, dass eine dem Nihilismus verfallene Politik sich ebenfalls den verdorbenen Gesetzen des Spektakels und des gewissenlosen, kommerziellen Produktmarketings und Imagebuildings unterwirft. Weil öffentlicher Sex die Massen mobilisiert und die Kassen klingeln lässt, dürfen die nackten Derwische über die Ringstraße tanzen, auch wenn wir uns damit vor aller Welt lächerlich machen und wie stillose Barbaren erscheinen. Was werden sich muslimische Männer und ihre verschleierten Frauen beim Anblick der Pride Parade wohl gedacht haben? Wahrscheinlich, dass die westliche Kultur am Ende ist und reif für die Übernahme. Und es wird sie erheitert haben, dass der Westen sich ihnen selbst ohne Gegenwehr am Silbertablett ausliefert. Zur feindlichen Übernahme müssen sie nichts tun, außer abzuwarten. Das Zerstörungswerk vollbringen wir Erben der Aufklärung selbst, großzügig und weltoffen, wie wir nun einmal sind.
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