Bernhard Krumpel: Ende der Wende?
Allein in Asien werden in den nächsten Jahren 600 Kohlekraftwerke in Betrieb genommen. Vergesst daher die „Prognosen“. Die globale Entwicklung zeigt eines klar: Der Zug ist abgefahren, der Temperaturanstieg um 1,5 Grad kommt. Jetzt geht es nur mehr darum, den Schaden zu begrenzen. Und mit Vernunft Maßnahmen zu definieren, die nicht im gesellschaftlichen Chaos enden.
Die Prognose wird Realität: Der prognostizierte Klimaanstieg um durchschnittlich 1,5 Grad Celsius ist unabwendbar und fix. Die Fiktion, das kleine Österreich oder das große Europa können allein das Weltklima retten, ist absurd. Überall auf der Welt haben sich Menschen den Wohlstand Europas als Vorbild genommen. Dafür laufen in Asien Kohlekraftwerke auf Hochtouren, in Südamerika wird abgeholzt wie nie zuvor. Auch wenn ich jetzt einige Träume beenden muss: Es gibt keine unsichtbare Glaskuppel über Europa, die uns schützt. Das bedeutet, es geht jetzt darum, dass wir mit den neuen, wärmeren Rahmenbedingungen bestmöglich zurechtkommen und Maßnahmen gegen eine weitere Erwärmung treffen. Dafür müssen Europa und die USA vor allem internationalen Druck aufbauen. Denn derzeit sind allein in Asien mehr als 600 Kohlekraftwerke in Planung oder bereits im Bau. Mehr als 75 Prozent der global geförderten Kohle wird in Asien verfeuert, da muss man nicht lange nachdenken, was das für das Weltklima bedeutet.
Musterschüler Europa
Vor dem Hintergrund hat Bundeskanzler Kurz recht, wenn er auf Technologie und Innovation setzt. Anders wird es auch nicht gehen, der breiten Bevölkerung den Klimawandel schmackhaft zu machen. Die Lastenfahrradoffensive in Ehren, aber der Stein der Weisen ist es nicht. Zudem kommt, dass die Menschen Entscheidungen auf Dauer nicht mittragen, wenn sich trotz aller Anstrengungen die Klimasituation nicht ändert. Danach sieht es aber aus, denn der globalen Situation können wir uns nicht entziehen, siehe Kohlekraftwerke in Asien. Zudem nähern wir uns im Klimaeifer großen sozialen Problemen, allein durch den Anstieg des (Öko-) Strompreises.
Klimawandel muss leistbar sein
Gerade Niedrigverdiener müssen sich den Klimawandel leisten können. Fix ist, dass beispielsweise aufgrund der überhasteten deutschen Energiewende die Stromkosten steigen werden. Einziger Ausweg: aktuell im Bau befindliche neue Atomkraftwerke stabilisieren nach ihrer Fertigstellung den Preis wieder. Die Klimawende muss jedenfalls leistbar sein, sonst heißt es bald „Ende Wende“. Solarpanele auf den Dächern sind eine gute Idee, müssen aber gefördert werden. Es gibt viele Menschen, die noch heute ausschließlich mit Holz heizen oder mit Öl. Will nun jemand von Öl auf XX wechseln, dann belaufen sich die Kosten auf zumindest 20.000 Euro. In einem Hochsteuerland wie Österreich, kann der Normalbürger nicht einfach so von heute auf morgen tausende Euro investieren, um sein Heim klimatauglich zu machen. Das wird selbst der größte Immobilienbesitzer der Bundeshauptstadt, nämlich Wiener Wohnen, nicht stemmen können.
Feindbild Individualverkehr
Der Individualverkehr ist ein besonders beliebtes Feindbild für klimabegeisterte Gesellschaftstheoretiker. Einen besonderen Effekt wird die Verteuerung des PKW-Nutzung nach sich ziehen. Autofahren wird nur mehr für Menschen ermöglicht, die es sich leisten können. Dafür werden diese über die leeren Straßen begeistert sein. Menschen, die im ländlichen Bereich leben und berufsbedingt oder für das Einkaufen von Lebensmittel auf das Auto angewiesen sind, werden besonders betroffen sein. Genauso Menschen, die mit älteren Modellen fahren, weil sie sich das Elektroauto nicht leisten können. Diese Menschen werden in das frühe 20. Jahrhundert zurückkatapultiert. Alternativkonzepte, wie etwa Sammeltaxis, funktionieren nämlich in der Realität mehr schlecht als recht. Deshalb wäre eine Kaufprämie für Elektrofahrzeuge eine sinnvolle Möglichkeit, Anreize zu schaffen, statt vom Schreibtisch aus lebensfremden Verordnungen zu formulieren.
Es werden nur Klimamaßnahmen funktionieren, die Herz und Hirn der Bevölkerung ansprechen. Hier ist es Aufgabe der Politik, Klimafanatikern nicht zu viel Raum zu geben. Sonst geht bei diesem wichtigen Projekt die Zustimmung des Großteils der Bevölkerung und der Unternehmen verloren. Und dann geht nichts mehr.
Lokomotive Deutschland
Klimamaßnahmen machen sowieso nur im europäischen Gleichschritt Sinn. Dabei ist Deutschland eine der Lokomotiven. Gerade deshalb hat die kommende Bundestagswahl am 26. September 2021 für Europa Bedeutung.
Gerade jetzt erwarten die Wähler Politiker mit klaren Ansagen. Selbst wenn der Wähler nicht immer selbst Meinung ist, eines weiß er: Hier ist jemand, der Entscheidungen trifft. Klar Position bezieht, auch wenn diese unpopulär ist. In dieser Zeit fundamentaler Herausforderungen wie COVID, Klimawandel und globalwirtschaftlicher Unbestimmtheit brauchen wir Europäer konstruktive Politiker mit Leadership und klaren Vorstellungen. Zuviel Menschen fragen sich, wie es wohl weitergeht. Wer aus Sorge jemand zu vergrämen keine Position bezieht, der wird alle vergrämen.
Angela Merkel hat die CDU in den letzten 20 Jahren geprägt. Am 17. Parteitag der CDU am 1. Dezember 2003 in Leipzig sagte sie: „Ich will, dass die Union den Wandel gestaltet. Ich will, dass die Union die Menschen auf diesen Weg mitnimmt.” Dieses Erfolgsmodell führte zu vier gewonnenen Wahlen. Die Autorin Ursula Weidenfeld schreibt über Merkel: „Sie formt die CDU zu einer Regierungsmaschine, die – wie ihre Vorsitzende – anschlussfähig für alle Parteien in der Mitte des politischen Spektrums wird.“ (Buchtipp: Ursula Weidenfeld, Die Kanzlerin: Porträt einer Epoche, Verlag Rohwolt). Damit schaffte sie eine gute Ausgangslage für ihren Nachfolger Armin Laschet. Mal sehen, ob Laschet diese nutzen kann.
Er zählt in Österreich zu den besten Kommunikationsexperten. Die Rede ist vom PR-Profi und Politik-Insider Bernhard Krumpel (49). Sein Motto: „Always stay focused“. Klaren Fokus benötigte er unter anderem bei seinen komplexen Jobs für Politiker, Ministerien und Konzerne. Neben seiner Beratungstätigkeit gibt der Wirtschaftssoziologe gerne sein Wissen an Studenten weiter. Er ist Verfasser von Fachartikeln, wie etwa zur Aktionärsrechte-Richtlinie und deren Auswirkung auf die Unternehmenskommunikation, sowie Mitherausgeber von drei Buchbänden mit dem Titel „Spezialgebiete der PR“.
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