Christian Ortner: Bei uns in Entenhausen
Es ist Unfug, wenn Politiker der Bevölkerung versprechen, sie „finanziell zu entlasten“, findet exxpress-Kolumnist Christian Ortner, – denn diese sogenannte Entlastung hat immer eine Belastung in gleicher Höhe zur Folge.
Es war eine scheinbar gute Nachricht, die Margarete Schramböck, ihres Zeichens ÖVP-Wirtschaftsministerin, angesichts der horrenden Preissteigerungen vor ein paar Tagen überbrachte. „Wir entlasten unsere Bevölkerung und Unternehmen um insgesamt knapp vier Milliarden Euro“, versprach die Dame den inflationsgeplagten Menschen und versprach mehr Kilometergeld, weniger Energiesteuern und ein paar andere Maßnahmen.
Nun kann man, je nach Gusto und Eigeninteresse das 4-Milliarden-Euro-Paket für gelungen halten oder auch nicht; ich finde aber jedenfalls das Wording interessant, dessen sich die Ministerin bedient hat – und dessen sich Politiker, völlig unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, praktisch immer in derartigen Situationen bedienen.
Wer ist bitte „wir“?
Denn „Wir entlasten“, das klingt irgendwie nach Dagobert Duck, der seinen klammen Enkeln wieder einmal mit einem Griff in seinen privaten Geldspeicher aus einer misslichen finanziellen Lage hilft. Wenn jemand jemanden anderen finanziell entlastet, dann wechselt, den Gesetzen der Logik folgen, ein bestimmter Betrag den Besitzer. Sonst wäre es ja keine Entlastung.
Das Problem der Frau Ministerin und aller anderen Politiker auf diesem Planeten ist freilich, dass sie um Gegensatz zu Onkel Dagobert keinen Geldspeicher haben und auch sonst kein Geld. Das einzige Geld, über das sie verfügen können, ist jenes, das sie den Bürgern über Steuern vorher (oder im Wege von Schulden nachher) wegnehmen.
Korrekt hätte die Ankündigung der Regierung daher lauten müssen: „Wir belasten unsere Bevölkerung und Unternehmen mit knapp vier Milliarden Euro, um unsere Bevölkerung und Unternehmen um insgesamt knapp vier Milliarden Euro entlasten zu können.“ Das, und nichts anderes, ist nämlich die wirtschaftliche Realität bei uns in Austro-Entenhausen.
Natürlich würde ein Politiker selbst unter Androhung von Höllenqualen das nie so formulieren – weil dann nämlich auch für den minderbegabtesten Wähler klar würde, dass er oder sie sich alle Wohltaten, die von der Politik versprochen werden, natürlich selbst bezahlen, oder gar von ihren Kindern und Kindeskindern abzahlen lassen.
Eine Schatulle, die es nicht gibt
Ich behellige Sie, geschätzte Leserin, geschätzer Leser deshalb mit dieser an sich völlig ortsüblichen sprachlichen Petitesse, weil sie mir irgendwie charakteristisch erscheint für die Art und Weise, wie hierzulande Politik gemacht werden kann und auch wird: so, als hätten wir noch immer eine Monarchie von Gottes Gnaden, in der ein Monarch seinen Untertanen ab und zu Geschenke aus seiner Schatulle spendiert, die von diesen voller Dank anzunehmen sind.
Es ist dies ein Politikverständnis, dass es zwar so nicht nur in Österreich gibt, hier aber in einem ganz besonderen Ausmaß. Schweizern, aber auch Skandinaviern oder Angelsachsen ist im Schnitt deutlicher bewusst, dass ihnen der Staat überhaupt nichts geben kann, sondern nur Geld, das er den einen wegnimmt, anderen zustecken kann.
Aufschlussreich war in diesem Zusammenhang auch, dass im Zuge der Verkündung des 4-Milliarden-Geschenkes auf die Frage eines Journalisten nach der Herkunft der Mittel die hübsche Formulierung, es handle sich um „frisches Geld“ gebraucht wurde.
Das klingt ein bisschen so, als wüchse Geld irgendwie auf einer Alm aus der Werbung irgendeiner Supermarktkette für Bio-Produkte und könne, wenn es „frisch“ sei, geerntet und ins Tal gebracht werden.
Gut ist so etwas noch nie ausgegangen
Man könnte das alles recht heiter finden, spiegelte es nicht eine bestimmte Mentalität wider, die in diesen Tagen die politische Klasse – samt Opposition – in den meisten europäischen Ländern erfasst hat und die im Wesentlichen darin besteht, Geld als eine beliebig vermehrbare Ressource zu betrachten, deren Nachschub so wenig versiegen kann wie das Wiener Trinkwasser aus der Hochquellleitung.
Finanzielle Solidität war ja schon in den vergangenen Jahrzehnten nicht eben eine Kernkompetenz der Politik in großen Teilen Europas. Doch seit Corona und nun dem Krieg in der Ukraine und seinen wirtschaftlichen Folgen sind alle Dämme gebrochen, keine Sau kümmert sich in Wahrheit noch ernsthaft und seriös darum, woher all die Zillionen kommen sollen, die da jetzt verbraten werden.
Noch ist nicht ganz klar, wie dieser ökonomische Zivilisationsbruch enden wird. Aber die Geschichte lehrt uns eines mit hundertprozentiger Gewissheit: Gut ist dergleichen noch nie ausgegangen.
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