Christian Ortner: Das Unbehagen mit Herrn Babler
Früher standen SPÖ-Vorsitzende für die Emanzipation der Arbeiter durch Bildung, erinnert sich eXXpress-Kolumnist Christian Ortner. Diesbezüglich dürfte der neue Parteichef, dem persönlich das eher fremd zu sein schient, einen Kulturbruch darstellen.
Wenn man das innenpolitische Geschehen dieser Republik seit mehreren Jahrzehnten verfolgt und teilweise kommentiert, sollten einem als Journalist Emotionen einzelnen handelnden Personen gegenüber eigentlich fremd sein. Erstens, weil ein Großteil des einschlägigen Personals emotional ungefähr so interessant ist wie eine Mikrowelle bei Stromausfall, und zweitens, weil Emotionen ja bekanntlich einer vernunftgetriebenen Analyse eher nicht so dienlich sind.
Trotzdem muss ich gestehen, dass es mir nicht und nicht gelingen will, dem neuen SPÖ-Vorsitzenden Andreas »A-woarme-Moahlzeit«-Babler mit dieser Haltung völliger Gelassenheit entgegenzutreten.
Irgendetwas an dem Mann irritiert mich auf eine eher unangenehme Weise, und nein, es ist in diesem Kontext nicht seine politische Haltung, nicht die Lenin-Büste in seinem Büro, nicht das dreiste Begehren, anderen Menschen etwas wegzunehmen, das ihnen rechtmäßig gehört.
Die Verachtung der Bildung
Linke, die so ticken, gibt es ja nicht gerade wenige, und trotzdem lösen sie in aller Regel nicht dieses diffuse Gefühl des Unbehagens aus wie Andreas Babler.
Nachdem ich mich widerwillig, aber furchtlos im Interesse der Forschung und des wissenschaftlichen Fortschritts gezwungen habe, mehrere Babler-Reden zu konsumieren, ist das Rätsel nunmehr aber freilich gelöst.
Denn Babler signalisiert in allen seinen öffentlichen Auftritten eine Attitüde, die SPÖ-Vorsitzenden bisher ausnahmslos fremd war: eine offen gezeigte Verachtung für Bildung. Der Mann will nicht einmal den Eindruck erzeugen, über Bildung zu verfügen, stattdessen versucht er, durchaus mit Erfolg, sich als eine Art Popstar der Unkultur zu inszenieren. Schon seine derbe, grammatikalisch mehr als simple Sprache, die mit bemerkenswert wenigen Wörtern das Auskommen findet, jeglichen Witz oder gar jegliches Glänzen meidet, belegt diesen Anspruch. Man kann das »authentisch« finden, aber auch einfach vulgär und antiintellektuell. Dazu kommt eine geradezu demonstrative Verachtung für Sachkunde und Detailwissen, garniert mit einer Neigung zu Behauptungen von geringer Belastbarkeit.
Die Heroisierung des Niedrigen
Was aber allein nicht reichen würde, unangenehme Emotionen zu generieren. Die entstehen erst dadurch, dass Babler seine Defizite, strategisch durchaus nicht unklug, gleichsam heroisiert und zum Teil seiner Marke macht.
Eher schwierig zu ertragen daran ist die von ihm permanent und penetrant vorgetragene Verbindung dieser Defizite mit einer aggressiven Anspruchshaltung, die er mit dem ständig vorgetragenen Slogan »Wir sind keine Bittsteller, wir haben einen Anspruch auf (was auch immer)« dokumentiert.
Die Botschaft, die hier transportiert wird, ist klar: Nicht etwa Weiterbildung, das Erlernen von Kultur, das mühselige Streben nach Verbesserung der eigenen Lebensumstände, sollen zur Emanzipation der »kleinen Leute«, der noch verbliebenen Arbeiter führen, sondern die bloße Behauptung eines Anspruchs.
Emanzipation durch Bildung, das war einmal
Man kann das durchaus als Kulturbruch in der SPÖ betrachten. Deren führende Persönlichkeiten, auch wenn sie einfachen Verhältnissen entstammten, waren fast immer um Emanzipation durch Bildung, den Erwerb von Fähigkeit, den selbst erarbeiteten Aufstieg bemüht; für sich selbst, aber vor allem auch als ideologisches Konzept.
Den Arbeiter zu emanzipieren, indem man ihm und vor allem auch seinen Kindern die Chance in die Hand drückt, sich weiterzubilden – das war eigentlich stets eine außerordentlich sympathische Attitüde der SPÖ, gleich, wie man sonst zu ihr stand.
Die große Verarmung
Babler, dessen eigene Biografie ja nicht wirklich von der Verwirklichung dieses alten sozialdemokratischen Prinzips »Aufstieg durch Bildung« durchdrungen ist, scheint das nicht fortsetzen zu wollen – oder zu können.
Stattdessen eine Kombination aus sprachlicher, aber auch inhaltlicher Vulgarität, verbunden mit einer darauf begründeten selbstbewussten Dreistigkeit, zu demonstrieren, ist letztlich seine Sache. Wenn das aber heißt, dass dies sozusagen der neue Markenkern der neuen Partei wird, dann bedeutet das nicht nur für die SPÖ eine Verarmung, sondern für das ganze Land.
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