Christian Ortner: Die vergessenen Opfer der Inflation
Während der Staat über dreißig Milliarden Euro ausgibt, um die Folgen der Inflation für Heizkosten, Strom und andere Ausgaben der Menschen zu lindern, wird eine ganz andere Gruppe von Opfern der Inflation völlig im Stich gelassen, analysiert Exxpress-Kolumnist Christian Ortner – und erklärt kurz, warum das so ist.
Seitdem die Inflation bei uns wütet wie die Schwarze Pest im mittelalterlichen Venedig, versucht die Politik, Geld, das sie nicht hat und deswegen zulasten künftiger Generationen ausborgen muss, waschkorbweise über der Bevölkerung auszuschütten, und zwar in Form von allen möglichen Teuerungsausgleichszahlungen. Gut dreißig Milliarden Euro hat die Regierung so bisher verblasen, hinzu kommen wohl noch ein paar Milliarden für den »Strompreis-Deckel«, eine geradezu beängstigend beeindruckende Zahl. Weniger aus Sorge um die Kaufkraft der Menschen wird diese Summe aufgewendet, sondern eher aus Angst davor, von den Wählern mit nassen Fetzen vertrieben zu werden.
Die Illusionsmaschine
Weil aber der Anti-Teuerungs- und der Klimabonus von heute natürlich die Steuererhöhung von morgen ist, haben wir es hier genau genommen mit einer gewaltigen Illusionsmaschine zu tun – das Geld wird dem Steuerzahler mit einer Hand gegeben und mit der anderen wieder genommen, wie stets, wenn der Staat sich spendabel zeigt. Denn »der Staat«, vielen Menschen ist das so nicht ganz klar, hat eben kein Geld, er kann es nur umverteilen.
Interessant daran ist, dass bei diesem Versuch, den Menschen die Geldentwertung erträglicher zu gestalten, eine gewaltige Gruppe an Geschädigten vollkommen im Regen stehen gelassen wird, von staatlichen Hilfszahlungen ganz zu schweigen. Während allen anderen Betroffenen das Zahlen der Stromrechnung, des Wocheneinkaufs oder der Heizkosten zum Teil subventioniert wird, muss diese Opfergruppe den Schaden völlig allein und ohne jede Hilfe tragen – völlig unabhängig auch davon, wie bedürftig der einzelne Betroffene ist.
Ade, Notgroschen!
Die Rede ist hier von der Gruppe der Sparer, also all jener Menschen, die ihre Ersparnisse in Form von Sparbüchern, Konten oder ähnlichen Anlageformen halten.Knapp 300 Milliarden Euro haben die Menschen auf diese Art und Weise gebunkert; der größte Teil davon dürften die Ersparnisse von Menschen sein, die nicht reich sind, aber sich im Laufe ihres Lebens vielleicht 100.000 oder 200.000 Euro zusammengespart haben, als Notgroschen fürs Alter etwa.
Sie alle werden jetzt von der Inflation brutal enteignet, bei zehn Prozent Inflation bleiben von einem 100.000-Euro-Sparbuch nach einem einzigen Jahr nur mehr 90.000 Euro an Kaufkraft übrig. Der Rest ist gleichsam verdunstet. Man kann sich sehr leicht ausrechnen, was das nach ein paar Jahren Inflation an Kaufkraftverlust bedeutet.
Der Schaden, den ein derartiger Sparer durch die Inflation erleidet, übersteigt also vermutlich bei Weitem den Schaden, den ein Durchschnittshaushalt durch den steigenden Strompreis erleiden wird – und trotzdem gibt es nicht einmal einen Hauch einer Diskussion darüber, ob nicht auch den Sparern ihr Schaden abgegolten werden soll, etwa in Form eines »Zinsen-Bonus« oder eines »Sparzuschlags«. Nicht einmal die üblichen Verdächtigen aus den Reihen der linken Reichshälfte, die den Staat sonst ja stets für alles und jedes in Anspruch nehmen wollen, fordern so etwas (wobei, man soll bekanntlich niemanden auf dumme Ideen bringen).
Der Reichtums-Verdacht
Ich glaube, das hat drei Gründe.
Erstens: Den Sparern die Inflation abzugelten würde plus/minus dreißig Milliarden Euro allein für dieses Jahr kosten, unterstellt man rund zehn Prozent Inflation. Das ist so viel, wie bisher insgesamt als Teuerungsausgleich aufgewendet worden ist – das wäre schlicht und einfach nicht zu stemmen.
Zweitens: Aus unerfindlichen Gründen schmerzt die meisten Menschen das Geld am Sparbuch weniger als eine explodierende Stromrechnung, was vielleicht auch daran liegt, dass das Geld am Sparbuch ja dem Betrag nach nicht weniger wird, nur die Kaufkraft geht halt flöten. Das scheint psychologisch ein Unterschied zu sein.
Und drittens: Selbst wer nur geringe Rücklagen am Sparbuch hat, steht in Österreich irgendwie unter Reichtums-Verdacht, und Reichen braucht niemand zu helfen.
Die Folge: Österreichs Sparer werden sich auch weiterhin ohne Gegenwehr enteignen lassen und damit in vielen Fällen die Rücklagen fürs Alter verlieren. Dass dies so geräuschlos und ohne politischen Widerstand möglich ist, wird die Politik freuen, aber in den nächsten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, unangenehme soziale Folgen in Form von massenhafter Altersarmut haben.
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