Christian Ortner: Hochstapelei als Regierungskunst
In Deutschland findet die Politik gerade einen Weg, wie man Schulden durch umlackieren und eine Strohmann-Konstruktion hokus pokus zum Verschwinden bringt. Exxpress-Kolumnist Christian Ortner findet das eher unseriös.
Die deutschen Koalitions-Verhandler von SPD, FDP und den Grünen haben einen großen Plan und ein kleines Problem; und beides wird, egal wie das Ganze ausgeht, erhebliche Folgen nicht nur für Deutschland, sondern auch für Österreich und alle anderen EU-Staaten im Gravitationsfeld des deutschen Riesen.
Der große Plan: Die Möchtegern-Koalitionäre möchten in der nächsten Regierungsperiode Zillionen von Euronen ausgeben, um damit die Infrastruktur des Landes auf Vordermann zu bringen, also Straßen und Schienen, Tunnels und Häfen, Brücken und Schulgebäude und und und. Und dazu soll noch, um weitere Zillionen, der Umbau der Berliner Republik in eine Art Grünland von der Nordsee bis zu den Alpen vollendet werden, plus, weil das heute besonders chic ist, die Digitalisierung weiter vorangetrieben werden. Glasfaserkabel für jedes Kaff und so.
Das kleine Problem dabei: das unfassbar viele Geld, das das alles kosten wird, ist nicht da. Ganz im Gegenteil: nach den ökonomischen Corona-Verwüstungen ist der deutsche Staat verschuldet wie ein Spieler nach einer Pechsträhne und müsste eigentlich einmal anfangen, seine Schulden abzubauen, anstatt wieder mit Geld um sich zu schmeißen.
Dazu kommt, und das ist besonders zäh: die potentiellen Koalitionsparteien haben verabredet, keine neuen Steuern einzuführen, keine bestehenden zu erhöhen, keine neuen Schulden aufzunehmen und auch die Schuldenbremse in der Verfassung, die den deutschen Staat erfolgreich vor Überschuldung bewahrt, nicht zu lösen. Man muss kein Ökonomie-Professor sein um zum Schluss zu kommen: das kann sich irgendwie nicht ausgehen, wenn man gleichzeitig gewaltige Ausgaben stemmen will.
Wie man die Schwerkraft aufhebt
Doch diese Logik, dass nicht geht, was nicht geht, gilt für uns gewöhnliche Sterbliche. Die Koalitionstruppe hingegen schmiedet an einem Plan, der sozusagen die Aufhebung der ökonomischen Schwerkraft vorsieht. Demnach soll nicht der Staat die irren neuen Schulden aufnehmen, sondern irgendein Strohmann oder eine Stroh-Firma, für die natürlich der Staat haftet, der aber die Schulden trotzdem nicht in den eigenen Büchern stehen hat. Dafür eignet sich eine staatsnahe oder gar staatseigene Bank; denkbar ist auch, dass ein Finanzvehikel der EU diese Schulden pro form aufnimmt. Das hätte den Charme, dass auch alle anderen EU-Staaten von der windigen Umgehungskonstruktion profitieren könnten.
Das ganz ist zwar so seriös wie die Geschäftsgebarung eines Hütchenspielers, hat aber den Vorteil, dass kaum ein Wähler versteht, was da passiert, und nur die Segnungen dieser Geld-Flut bestaunen wird. Schöner geht für einen Politiker nicht; und deshalb würde ich Wetten eingehen, dass SPD, Grüne und FDP irgendwas in der Richtung ausschnapsen werden.
Die Stunde der Hochstapler
Das Problematische an dieser Form der Vodoo-Ökonomie: man kann die Gesetze der Ökonomie genauso wenig aushebeln wie die der Physik; und auch grün lackiert und unter dem Bett versteckte Schulden bleiben Schulden; und je mehr davon von die Staaten der Eurozone in welcher Mogelpackung auch immer aufnehmen – irgendwann ist Zahltag, sei es in Form von harten Sparkuren, massiven Steuererhöhungen oder explodierender Inflation oder allem Zusammen, daran führt kein Weg vorbei. Der Fall Griechenland hat erst vor wenigen Jahren gezeigt, wie so etwas aussieht – und Griechenland hatte eine EU, die mit Dutzenden Milliarden half; die EU hingegen wird keine EU haben, die hilfreich beispringt.
Gut möglich also, dass uns die deutschen Koalitions-Verhandler schon demnächst ein Paket präsentieren, in dem es nur so wimmeln wird von Begriffen wie Zukunftsinvestitionen, Green Deal, Digitalmilliarden – und alles ohne neue Steuern und Schulden. Sie, geschätzte Leserinnen und Leser wissen aber: in Wahrheit haben wir es hier vor allem mit Hochstapelei und einem Geschäft zu Lasten Dritter zu tun – der Kinder, die für diese Schulden geradesten müssen, eines Tages.
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