Christian Ortner: Nein, die SPÖ ist noch lange nicht tot
So abgesandelt die Sozialdemokratie sich derzeit auch präsentiert, dem Wähler dürfte das nicht so wahnsinnig wichtig sein, der hat ganz andere Interessen, meint Exxpress-Kolumnist Christian Ortner. Und prognostiziert, dass die Partei unter Andreas Babler ein erstaunliches Comeback hinlegen könnte.
Andreas Babler »steht vor einem historisch einmaligen Trümmerhaufen«, fasste der erfahrene Innenpolitik-Journalist Josef Votzi die Situation der SPÖ nach der etwas verunglückten Wahl des neuen Vorsitzenden knapp und zutreffend zusammen. Trümmerhaufen, so sehen das alle, die sich mit der hiesigen Politik beschäftigen. »Wenn eine Partei ihre eigene DNA zertrümmert, ist sie am Ende«, ergänzte die stets kompetente Kommunikationsexpertin Christine Aumayer, »was auch immer jetzt kommuniziert wird, ist nicht mehr ernst zu nehmen. Für die FPÖ wäre das verkraftbar, für die Sozialdemokratie nicht«.
Den eigenen Tod überlebt
Was in diesen und vielen anderen Analysen, so zutreffend sie im Moment sein mögen, aber ausgeblendet wird: Als rauchender Trümmerhaufen ist auch die FPÖ – durchaus mit der gleichen Berechtigung – nach dem Platzen der Ibiza-Affäre beschrieben worden. Das ist jetzt gerade vier Jahre her – und die FPÖ liegt heute in allen Umfragen auf Platz eins, vor ÖVP und SPÖ. Und zwar, ohne sich irgendwie reformiert oder neu aufgestellt zu haben.
Zwischen Trümmerhaufen und Triumph liegt in Österreich offenkundig ganz grundsätzlich bloß eine relativ kurze Abklingphase.
Davon hat übrigens auch die SPÖ in der Vergangenheit schon einmal gehörig profitiert. Obwohl 2006 der BAWAG-Skandal die Partei ordentlich durchgerüttelt hatte und ein roter Sumpf von horrenden Ausmaßen sichtbar wurde, obsiegte die Partei nur zwei Jahre später über die ÖVP und stellte abermals den Kanzler. Auch dass damals der Streikfonds des ÖGB verzockt wurde, kann man durchaus als »Zertrümmern der DNA« der Partei beschreiben, ohne dass diese ernsthaft gelitten hätte.
Der Trümmerhaufen lebt
Ich halte es für durchaus denkbar, wenn auch natürlich bei Weitem nicht für sicher, dass sich dieses merkwürdige Phänomen wiederholen wird. Sollte wirklich erst im Jahr 2024 gewählt werden, dürfte für die meisten Wähler die Frage, ob die SPÖ es zustande bringt, ihren Vorsitzenden ordnungsgemäß zu bestellen oder nicht, von eher überschaubarer Bedeutung sein.
Dass der heutige »Trümmerhaufen« in einigen Monaten den Mitbewerbern am Markt der Stimmen mehr Ärger bereitet, als das heute denkbar erscheint, halte ich für durchaus wahrscheinlich.
Das soll jetzt nicht dieses alberne »Jede Krise ist eine Chance«-Gelabere sein, mit dem sich derzeit einige Genossen zu trösten suchen; es ist vielmehr der Versuch, zwischen der milieubedingten Aufgeregtheit der Politikblase einerseits und dem, was den meisten Wählerinnen und Wählern wirklich wichtig ist, andererseits zu differenzieren, um Fehleinschätzungen zu vermeiden.
Die Stunde des Demagogen
Sollte am Ende tatsächlich Andreas Babler Trümmerhaufen-Obmann sein und bleiben, ohne dass dem »Konstrukt« Sozialdemokratie weitere Einsturzgefahr droht, könnte es sogar besonders schnell gehen mit der Rekonvaleszenz der Partei.
Denn Herr Babler verfügt unbestritten über beträchtliche demagogische Qualitäten eines hartgesottene Linkspopulisten, eine Art Traiskirchen-Edition des ehemaligen griechischen Finanzministers Alexis Tsipras. Solche Typen vermögen beträchtliche Emotionen zu erzeugen, die bei nicht wenigen Wählerinnen und Wählern allenfalls vorhandene Verstandesreste ausschalten und den Befallenen in den infantilen Groupie-Modus verfallen lassen.
Das kann politisch durchaus erfolgreich sein. Ob in der SPÖ ein paar Tage organisatorisches Chaos geherrscht hat oder nicht, wird von dieser kollektiven Ekstase völlig verdrängt werden. Mehr noch: Dass dem Andi-»a woarme Molzeit«-Babler von finsteren Reaktionären aus den eigenen Reihen beinahe der Sieg gestohlen wäre, lässt sich bestens in den Mythos vom Klassenkämpfer integrieren.
Wie man ein Land ruiniert
Für Österreich bedeutet das alles nichts Gutes. Denn wenn ein linker Demagoge wie Babler wahlkämpft, entsteht natürlich ein enormer Druck auf andere Parteien, in eine Lizitation mit dem Populisten zu treten und dessen völlig weltfremde und ökonomisch extrem schädliche Forderungen noch zu toppen. Üblicherweise ist das ein verlässliches Rezept, eine Volkswirtschaft zu ruinieren. Beispiele dafür gibt es in der Geschichte zuhauf.
Besonders problematisch daran ist, dass die linken (und zum Teil auch rechten) Demagogen nur dann Chancen auf Erfolg haben, wenn ein Land eh schon in einer Schieflage steckt. In der Schweiz wäre Babler völlig chancenlos. In Österreich mit seiner die Menschen enteignenden Inflation, einem zunehmend verkommenden Gesundheitswesen, einer nach wie vor unkontrollierten und teils schädlichen Zuwanderung, ist die Situation anders, hier finden Demagogen ein für sie günstiges Biotop vor.
Geht dieses Kalkül auf, wird man früher oder später die Beschreibung »Trümmerhaufen« nicht für eine Partei, sondern für das ganze Land benutzen müssen.
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