
Christian Ortner: Ohne Patriotismus wird das nichts
Wollen Deutschland und Österreich wirklich wieder so wehrfähig werden, wie die Politik nun behauptet, wird das nicht funktionieren, ohne wieder einen gewissen Patriotismus zu entwickeln, der aber entspannt und weltoffen gestrickt sein sollte, meint exxpress-Kolumnist Christian Ortner.
Für die meisten Österreicher oder Deutschen ist „Patriotismus“ ein Begriff, der so sehr aus einer anderen Zeit zu stammen scheint wie der Kratzfuß, die Etagere oder der Stresemann – eine völlig verstaubte Sache von vorvorgestern also, bar jeder Relevanz für unser heutiges Leben. Okay, vielleicht noch ein wenig beim Fußball oder dem Song Contest, aber das ist es dann auch schon. Wer sich allen Ernstes öffentlich als deutscher oder österreichischer Patriot bezeichnet, muss damit rechnen, im besseren Fall als rechter Spinner denunziert zu werden.
Das hängt natürlich mit der Geschichte der beiden Staaten zusammen und war nach dem Zweiten Weltkrieg auch irgendwie verständlich.
Es gilt das Recht des Stärkeren
Doch nun, achtzig Jahre nach dem Ende des Weltkriegs, wird diese grundsätzlich nachvollziehbare Haltung zu einem Problem. Denn von Tag zu Tag wird klarer, dass wir plötzlich – sehr plötzlich – nicht mehr in einer Welt leben, in der sich alle mehr oder weniger an vereinbarte Regeln halten, sondern in der wieder das Recht des Stärkeren gilt und in der Staaten keine Freunde haben, sondern nur noch Interessen, die sie robust durchsetzen.
Was diesen Staaten, gleichgültig, ob USA, Russland, Israel oder auch dessen Feinde, gleichermaßen hilft, ist der mehr oder weniger muskulöse Patriotismus ihrer jeweiligen Bevölkerung, wie sympathisch oder weniger sympathisch uns dieser auch sein mag.
Denn ohne diesen Patriotismus ist es in keinem Land möglich, erfolgreich militärisch zu agieren. Ohne den Patriotismus der Ukrainer gäbe es die Ukraine mit hoher Wahrscheinlichkeit heute nicht mehr.
Patriot plus Patriotismus
Eine Politik, die ernsthaft das Ziel verfolgt, die Nation wieder wehrfähig zu machen, wird daher nicht darum herumkommen, auch den Patriotismus wieder ein Stück salonfähig zu machen. Anders wird das nämlich nicht gehen. Ohne Patriotismus hilft auch das beste Patriot-Luftabwehrsystem nichts.
Wie abgehaust, desolat und geradezu ein Zerrbild seiner selbst der Patriotismus im deutschen Sprachraum ist, belegt eine kleine Anekdote, nach der die seinerzeitige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einmal gefragt wurde, worauf sie denn in Deutschland stolz sei – und sie nach kurzem Nachdenken antwortete: „Die Fenster.“
Nun ist die Qualität deutscher Fenster zweifellos vom Feinsten, das Problem dabei ist nur, dass vermutlich eher wenige junge Deutsche wirklich große Lust haben werden, für die Qualität der deutschen Fenster in den Krieg zu ziehen und dort gegebenenfalls ihr Leben zu riskieren.
Nationalstolz, igittigitt
Aber es sind ja nicht nur Frau Merkels Fenster. An mehreren deutschen Schulen – etwa in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen – wurde während internationalen Fußballturnieren Schülerinnen und Schülern verboten, Deutschlandflaggen im Klassenzimmer oder auf der Kleidung zu tragen. Begründung: Es könne „andere Nationalitäten ausschließen“ oder „nationalistische Gefühle schüren“.
Ein Direktor sagte wörtlich: „Wir wollen keine Nationalismen, sondern Weltoffenheit.“ Werbespots der Bundeswehr mit Slogans wie „Wir. Dienen. Deutschland.“ werden regelmäßig kritisiert.
Ein Shitstorm brach 2020 los, als ein Spot zeigte, wie Soldaten in Mali Patrouille fahren – es hieß, man „verherrliche Militarismus“ und „locke junge Menschen mit Nationalstolz in gefährliche Auslandseinsätze“.
Sterben für die Anmut der Wachau?
Auch in Österreich gibt es, naturgemäß etwas abgemildert, derartige Absurditäten. Und Patriotismus gibt es, den Umfragen zufolge, zwar durchaus, aber irgendwie auch à la Merkel und ihren Fenstern. Denn gefragt, worauf sie in Österreich stolz sei, antwortet die Mehrheit: „Das saubere Trinkwasser, die landschaftliche Schönheit und die schönen Berge.“
Ja, eh, aber auch dafür wird im Zweifelsfall wohl kaum jemand in den Krieg ziehen. Sterben für sauberes Trinkwasser und die Anmut der Wachau? Wohl eher nicht.
Wollen Deutschland oder Österreich wieder wehrfähig werden, braucht es deswegen dazu eine Renaissance des Patriotismus. Das wird eine eher heikle Gratwanderung, denn zurück zum Hurra-Patriotismus des 20. Jahrhunderts kann ja auch keine Lösung sein.
Was fehlt, ist also eine Art von Patriotismus, wie er in den USA oder auch im Vereinigten Königreich Tradition hat und üblich ist – also stolz auf die eigenen Werte und Vorzüge sein, aber ohne andere dabei minder zu schätzen oder zu degradieren.
Es geht dabei also letztlich um einen entspannten, nicht aggressiven, in sich gefestigten Patriotismus, der weit von einem überspannten Nationalismus entfernt ist.
Parteien wie die AfD in Deutschland und die FPÖ in Österreich haben schon längst erkannt, dass der von den polit-medialen Eliten denunzierte Begriff des Patriotismus in der Bevölkerung durchaus positiver gesehen wird – und schlagen entsprechendes Kapital daraus. Dass die politische Mitte dazu nicht imstande ist, kann man durchaus als Teil ihre Scheiterns verstehen.
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