Am Wort: Genossin Pamela Rendi-Wagner:
„Geschätzte Genossinnen und Genossen.

Liebe Freundinnen und Freunde.

Seit mehr als vier Jahren habe ich nun das Privileg unserer Bewegung als Vorsitzende dienen zu dürfen. Eine Zeit, auf die ich mit sehr gemischten Gefühlen zurückblicke. Denn es waren Jahre der Entbehrung, geprägt von innen- und außenpolitischen Krisen, vor allem aber von einem Virus, dessen Herkunft wir immer noch nicht mit allerletzter Sicherheit kennen, dessen Auswirkungen wir aber alle spürten und spüren.

Und wie ihr wisst, lag diesmal das Heft des Handelns nicht in den Händen der Sozialdemokratie. Dennoch war es mir wichtig auch tiefgreifende ideologische Gräben, die uns vom Mitbewerber trennen, zuzuschütten, um gemeinsam der größten Bedrohung entgegenzutreten, der sich unser Land seit Ende des zweiten Weltkrieges zu stellen hatte.

Als Ärztin und Expertin konnte ich hier viel bewegen, dazu beitragen dem Virus seinen Schrecken zu nehmen und das Schlimmste heute hinter uns zu wissen.

Es ist aber nicht allein die Pandemie, die uns alle und mich als Vorsitzende gefordert hat. Der Ibiza-Skandal, das Ende des Systems Kurz, eine Regierung, die angesichts massiver Korruptionsvorwürfe und interner Streitigkeiten oft viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war und ist, als dass sie sich den vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit entsprechend widmen könnte.

Überall waren und sind wir als Sozialdemokratie gefordert, Perspektiven aufzuzeigen und das Notwendige zu tun – auch wenn das bedeutet, erstmals einer Bundesregierung das Misstrauen auszusprechen.

Nicht zuletzt sind es aber auch die zunehmenden Spannungen in unserer Bewegung selbst, die es immer schwerer machen mit meinen Inhalten durchzudringen.

Ich habe mich bemüht, habe vom ersten Tag an mein Bestes gegeben und mit vollem Einsatz und ganzer Kraft für unsere Partei gekämpft.


Unterm Strich aber, so muss ich an diesem Punkt eingestehen, gelang es mir zu wenig die Menschen für meine Vision einer besseren Zukunft zu begeistern.

Ich bedauere das und ich entschuldige mich bei allen, die ich möglicherweise enttäuscht habe.

Dennoch ist das kein Grund zu resignieren. Die Sozialdemokratie ist keine One-Woman-Show. Wir sind eine breite, starke und lebendige Bewegung herausragender Persönlichkeiten, die jeden Tag beweisen, was es heißt Verantwortung zu tragen.

In den Betrieben, in den Gemeinden und auch in den Ländern.

So wie Genosse Hans Peter Doskozil, der im Burgenland großartige Arbeit leistet und der dafür von den Wählerinnen und Wählern mit der absoluten Mehrheit ausgezeichnet wurde.

Ja, vieles trennt uns. Aber noch viel mehr ist es, das uns verbindet. Die Liebe zur Sozialdemokratie, ihrer Geschichte, der wir uns verpflichtet fühlen und ihrer Zukunft, die heute mehr denn je in unser beider Händen liegt.

Wie sollte es mich als Vorsitzende daher nicht freuen, Menschen in unserer Bewegung zu wissen, die einerseits bereits mehrfach bewiesen haben, dass sie es können, andererseits aber auch bereit sind, sich einer noch größeren Verantwortung zu stellen?

Es sind wichtige Wochen für die Sozialdemokratie und mich freut die persönliche Unterstützung die ich erfahre – dennoch oder gerade deshalb ist es mir wichtig unsere Partei zu schützen.

Wir dürfen uns nicht spalten lassen. Nicht von außen und schon gar nicht von innen.

Wer verdiente Genossinnen und Genossen als „Rechte“ beschimpft oder auch nur irgendwie in die Nähe der Freiheitlichen Partei rückt, der meint es nicht gut mit unserer Bewegung – die mir so sehr am Herzen liegt.

Für mich ist es deshalb nun an der Zeit, erneut das Notwendige zu tun und das Staffelholz zu übergeben.

Ich habe deshalb den Parteivorstand über meine Entscheidung informiert, nicht mehr als Vorsitzende kandidieren zu wollen.

Stattdessen unterstütze ich Genossen Hans Peter Doskozil und wünsche ihm für die bevorstehende Aufgabe viel Kraft und Gesundheit.

Freundschaft!“

Ja, das hätte sie sagen können. Oder von mir aus auch Schreiben. Offene Briefe sind in der SPÖ ja durchaus modern. Stattdessen stürzt der scheinbar demokratische Akt einer verbindlichen Mitgliederbefragung die Partei in eine tiefe Krise. Schon jetzt wird gegen den Herausforderer gehetzt, wird ihm unterstellt „kein Sozialdemokrat“ zu sein.

Auf dieser Basis eine gemeinsame Zukunft aufzubauen, scheint jedenfalls schwierig.