Daniela Holzinger: Sechs Wahrheiten zur Tirol-Wahl
Die erste landesweite Wahl nach Ende des Systems Kurz ist geschlagen. Der prognostizierte Erdrutsch blieb aus. Während Verlierer feiern, machen die Sieger gute Miene zum bösen Spiel. eXXpress Kolumnistin Daniela Holzinger weiß warum:
1. ÖVP: Die große Siegerin.
Das schlechteste Ergebnis der Landespartei seit 1945. Dennoch ein Grund zum Feiern für Mattle und Co.
Seriöse Umfragen sahen die Landesschwarzen nämlich schon an der 25%-Marke schrammen – nahe am totalen Machtverlust.
Doch Tirol in fremder Hand? TIWAG, HYPO und die Wohnbauförderung mit anderen teilen müssen? Nicht nur für Seilbahn-Chef Hörl wäre das ein Schlag in die Magengrube gewesen. In Wahrheit hing auch das Überleben der Regierung am seidenen Faden.
Doch erstens kam es anders und zweitens, als gedacht. Mit knapp 35% gelang es der Volkspartei ihre strukturelle Macht auf den Boden zu bringen.
Während Umfragen auch jene erfassen die am Wahltag zu Hause blieben, schaffte es Spitzenkandidat Anton Mattle – ein Mann mit der Ausstrahlung eines Rechenschiebers – seine Leute an die Urne zu bringen und als Sieger vom Platz zu gehen.
Will der designierte Landeshauptmann also gleich etwas richtig machen, dann geht er sich bei jedem einzelnen seiner Bürgermeister und Basisfunktionäre bedanken – es ist vor allem ihr Erfolg.
2. SPÖ: Kein Zug zum Tor.
Vielleicht kennst du diese Videos: Der Führende im Radrennen liegt scheinbar uneinholbar vorne. Mit der Ziellinie im Blick reißt er die Hände hoch, jubelt, lässt sich von der Menge feiern und das Rad die letzten Meter rollen. Doch bald werden aus dem Siegesjubel der Menge, hysterische Schreie und noch bevor der vermeintlich Erste kapiert was eigentlich los ist, überholt ihn sein Kontrahent im Zielsprint. Pech. Das sportliche Äquivalent zur SPÖ sozusagen und dabei lag die in Tirol nicht einmal in Führung.
Die Aussicht auf deutliche Zugewinne im Windschatten der ÖVP-Krise reichte offensichtlich völlig aus, um sich im Lichte des eigenen Antlitzes zu sonnen. Manche Analysten wollten deshalb gar einen Wahlkampf mit angezogener Handbremse wahrgenommen haben. Die Tirolerinnen und Tiroler haben sich wohl eher schwer getan etwas anderes als „Dasselbe in Rot“ zu sehen.
3. FPÖ: Das Naturgesetzt schlägt zu.
Die Freiheitlichen scheinen fast so etwas wie einem Naturgesetz zu unterliegen. Auf Siegeszug folgen Regierungsbeteiligung, Skandal, Spaltung, der unvermeidliche Absturz und dann – wir kennen das – wieder die Auferstehung.
Wirklich verdient, weil sozusagen aus eigener Kraft, schaffte es die Partei bislang aber lediglich sich selbst zu sabotieren. Ihre politische Auferstehung überlassen sie dabei meist anderen und solange die sich im Genderwahn, Klimafetisch und einer Kopf-In-den-Sand Migrationspolitik überbieten, wird das Freiheitliche Naturgesetz weiter Wellen schlagen.
Überrascht hat mich nur, dass Mattle auf Rot macht und die F als Koalitionspartner ausschließt.
4. Grüne lernen Zusammenhalt.
Respekt! Die Grünen haben dazugelernt. Trotz Absturz-Koalition im fernen Wien, schließt man die Reihen und hält zusammen. Denn wer in Schönheit stirbt, ist auch tot – das haben sie aus 2017 gelernt.
Mit einem moderaten Minus von 1,5 % Punkten ist jetzt aber erst einmal durchatmen angesagt. Ausscheiden aus der Landesregierung? Egal. Von Liste FRITZ überholt? Egal. Hauptsache mit dabei als starke und mahnende Stimme für den Klimaschutz. Wichtigstes Projekt der Neo-Oppositionspartei im Landtag: Den Ausbau der Windkraft unvermindert fortzusetzen. Während der Grünen Regierungsbeteiligung wurden in Tirol 0 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 0 MW errichtet. Geht’s nach dem Spitzenduo Gebi Mair und Petra Wohlfahrtsstätter, solle dieser Pfad zumindest gehalten werden.
5. Liste FRITZ als Zukunftsmodell.
FRITZ ist mit Sicherheit eine der großen Überraschungen dieser Wahl. Nicht nur, weil es der Namensliste um Gründer und ÖVP-Rebell Fritz Dinkhauser gelang, sich politisch zu etablieren, sondern vor allem, weil sie dessen Gang in den Ruhestand überlebte.
Mit einem satten Plus von 4,5% konnte sich FRITZ Neo-Frontfrau Andrea Haselwanter-Schneider beinahe über eine Verdoppelung freuen, Grüne und Neos hinter sich lassen.
Das Erfolgsgeheimnis: Politik von Tirol, für Tirol – ohne Parteimief und Bundeshypothek. Werden bald andere Bundesländer folgen?
6. Im Westen nichts NEOS.
Bei NEOS ist die Luft draußen, der Zauber des Neuen verflogen. Wie schon bei der Oberösterreichischen Landtagswahl vor etwas mehr als einem Jahr, ernährt sich das pinke Eichhorn äußerst mühsam. Statt großer Sprünge gibt’s kleine Schritte. Dass die noch immer Vorwärts gehen, ist dabei vor allem einer professionalisierten Wahlkampf- und PR Maschinerie geschuldet.
Doch was sich wie ein Asset liest ist in Wahrheit der Mühlstein am Hals von NEOS. Wer nämlich junge frische Bürgerbewegung und Alternative zum etablierten System sein will, der muss sich hüten selbst System zu werden. NEOS aber stecken spätestens seit dem Abgang des Gründers mittendrin – die jüngste Altpartei, wenn man so will.
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