Daniela Holzinger: War‘s das mit der ÖH? Warum Unipolitik niemand braucht
„Der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft obliegt die Vertretung der allgemeinen und studienbezogenen Interessen ihrer Mitglieder“ – das sagt uns der Paragraf 4 des Hochschülerschaftsgesetzes. So weit so gut.
So weit so gut. Doch wer sind diese Mitglieder eigentlich?
Na alle! Die ÖH ist nämlich, so wie unsere heißgeliebten Kammern, mit dem Asset der Pflichtmitgliedschaft gesegnet. Wer sich an einer Uni, Fachhochschule oder pädagogischen Hochschule einschreibt, der ist drin – oder besser gesagt, muss rein – ob er will oder nicht.
Weil das so ist, reicht’s eben nicht sich mühselig die Hochschulreife zu erkämpfen, um ins ersehnte Studium starten und den Ernst des Lebens noch etwas aufschieben zu können. Nein, zuerst will noch der Obolus von aktuell 19,20€ an die ÖH entrichtet werden, sonst ist da nix mit Anmeldung zur Lehrveranstaltung. Bezahlschranke sozusagen.
Es mag einen also nicht überraschen, dass die Beteiligung der aktiven Studierenden am System des Pflichtbeitrages ungebrochen hoch ist. 100%.
Wahlen ohne Wähler
Ganz im Gegensatz übrigens zu den ÖH-Wahlen, bei denen es den Studis tatsächlich freisteht, ob sie teilnehmen möchten oder nicht. Hier dümpelt die Beteiligung seit Jahrzehnten im besorgniserregenden Bereich herum. Weniger als jeder Vierte tritt da gewöhnlich den Weg zur Wahlurne an, um „mitbestimmen“ zu können. Im Corona-Jahr 2021 nahmen gar nur knapp 16% teil. Eine Wahl ohne Wähler.
Doch wer kann sich bei sowas noch legitimiert fühlen? Der siegreiche VSStÖ? Die geschlagene AG, der Uni-Dauerbrenner GRAS oder eine der kleineren Listen?
Ihnen allen ist gemein, dass das, was sie tun, offensichtlich niemanden interessiert. Anders kann man es gar nicht interpretieren, wenn 84% einer Wahl fernbleiben. Noch dazu, wo es dabei ja nicht um die klassisch bildungsfernen Schichten geht, denen man bei sonstigen Urnengängen gerne unterstellt, aus Überforderung zu Hause zu bleiben. Nein, hier entscheidet sich die Bildungselite ihr Wahlrecht nicht auszuüben. Sehr bewusst – unterstelle ich jetzt einmal.
Welche Leistung?
Denn so wie‘s mir auf der Uni gegangen ist, geht’s offensichtlich ganz vielen Studierenden. Die ÖH und das was einen im Studium voranbringt, das sind (leider) zwei Paar Schuhe.
Ein Beispiel: Nach der Geburt meines Sohnes, habe ich mich im letzten Jahr dazu entschieden die Zeit zu nutzen, um mein Masterstudium abzuschließen. Theoretisch geht das mit Baby ganz gut, weil die Kleinen anfangs ja sehr ausgiebig schlafen. Das Einzige, was ich gebraucht hätte, wäre die Möglichkeit gewesen, mein Kind zwischendurch stillen und wickeln zu können. Und weil das sowas von ein Thema für die ÖH – als „meine Interessensvertretung in allen Dingen“ – ist, habe ich auch dort angerufen – leider ohne Erfolg. Denn: Nein, an der Uni-Salzburg gäbe es für stillende Mütter keine speziellen Räumlichkeiten und – was für eine Überraschung – die ÖH könne da auch nichts machen, ich solle mich an den Hausmeister wenden… ernsthaft. Aber ja, so viel dazu.
Wie gut, dass der Hausmeister, der seinen Job tatsächlich erledigt, nicht auch noch einen Pflichtbeitrag von mir einhebt und wie gut, dass schon wenige Tage danach mein Studium pandemiebedingt ins Home-Office verbannt wurde. Problem gelöst. Der enorme Service meiner ÖH hatte damit aber nichts zu tun.
Im parteipolitischen Sandkasten
Was unterm Strich also bleibt, sind parteipolitische Sandkastenspiele der Altpolitiker von morgen.
Beim Grün-Ableger GRAS fordert man da etwa jene „gendergerechte Hochschule“, die der freiheitliche RFS genauso leidenschaftlich bekämpft.
Sozialistische Studierende wollen mehr Arbeiterkinder an der Uni sehen, während sich die ÖVP-nahe Arbeitsgemeinschaft zum Ziel gesetzt hat, die „linke Mehrheit zu brechen“.
Die Kommunisten sind dem dann schon zuvorgekommen und haben sich beim Versuch, „Proletarier aller Länder zu vereinigen“ gleich mal in zwei Listen aufgespalten, ja und die NEOS-Leute von den JUNOS, die wollen auch mitmachen. Pinke Pullover stehen denen echt gut.
Aber vielleicht sehe ich das ja auch zu verkürzt. Immerhin die Karriereschmiede-ÖH läuft, wie Sigi Maurer gerade eindrucksvoll beweist. Die hat‘s von der ÖH-Vorsitzenden zur Chefsekretärin des ÖVP-Klubobmanns gebracht. Gratulation!
Raus da und etwas mehr Selbstbewusstsein, bitte!
Spätestens jetzt, angekommen in der völligen Bedeutungslosigkeit, brennt die Uni tatsächlich, ist Feuer am Dach der ÖH. Deshalb bitte: Raus aus dem parteipolitischen Sandkasten. Weg mit der Hybris, eine ideologische Allgemeinvertretung der Studierenden wahrnehmen zu wollen. Bei 84% Nichtwähleranteil führt sich das sowieso ad Absurdum. Macht euch frei davon, Vorfeldorganisation einer Partei zu sein und traut euch endlich das zu werden, wofür ihr geschaffen wurdet: Die Interessensvertretung der Studierenden – studienbezogen. Nicht mehr und nicht weniger. Dafür aber richtig!
Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.
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