Unspektakulär.

Bei der Recherche zu meiner letzten Kolumne bin ich auf eine ganz außergewöhnliche Tonaufnahme gestoßen. Bruno Kreisky, in den 1950ern Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten, schildert darin den Ablauf der Neutralitätsverhandlungen mit Moskau. Unspektakulär auf 3:44 Min., ruhig, sich bei der kleinsten Erregung sofort wieder fangend und dennoch mit unüberhörbar charmantem „Augenzwinkern“. Fast so, als würde einem der Oberkellner des Sacher seine ganz persönlichen Spezialitäten des Hauses empfehlen.

Man hört gerne und aufmerksam zu. Fühlt sich ernst- und mitgenommen. Als Staatsbürger, als Souverän, der nun darüber in Kenntnis gesetzt wird, was sein Vertreter für ihn erreichen konnte. 

Enttäuschung, dass offensichtlich manche Verhandlungsziele nicht durchsetzbar waren, stellt sich weder auf der einen noch der anderen Seite des „Rundfunkgerätes“ ein. Klar, weil als Erwachsene wissen wir, dass Verhandlung auch immer Kompromiss bedeutet und am Ende tragfähige Lösungen mehr zählen, als rechthaberisch auf der Stelle zu treten.

Sich auszureden auf genauso namen-, wie zahllose Expertinnen und Experten, Plattitüden und vorgefertigte Stehsätze aneinanderzureihen, Zielgruppen mit Triggern zu füttern, um ein möglichst lautes Gezwitscher zu provozieren und „Likes“ abzustauben – all das spielte damals keine Rolle. Wenn Erwachsene miteinander reden, reicht es – REICHTE es – zu sagen, was Sache ist. Auf Augenhöhe.

Geschäftstüchtige Sophisten.

In seiner letzten Kolumne bringt das mein Kollege Bernhard Heinzlmaier ganz gut auf den Punkt, wenn er die „Sophisten postmoderner Politik“ und jene, die ohne sie bloß wortlose Marionetten wären, gleichermaßen an den Pranger stellt.

„Authentisch“ ist heute nicht mehr, wer zu seinen Überzeugungen steht, sagt was er will, und erklärt, was er tut, sondern wer sich zu Hampelmann und -frau jedes noch so infantilen Trends auf TikTok, Twitter und Co. degradiert.

„Wir müssen die Jungen erwischen und dort abholen, wo sie sind“ lautet das, unseren Politikern den täglichen Obolus an Selbstentwürdigung abverlangende, Mantra. Und sie liefern bereitwillig:

Die Staatssekretärin liest aus Harry Potter. Kanzler und Minister zittern vor der Herausforderung ihre österlichen Eier nur Spitz auf Spitz und Arsch auf Arsch zu pecken. Und Wiens Vizebürgermeister zappelt zu „Che La Luna“ sein feudales Büro ab, während die Stadt-Grünen selbiges, davor am Rathausplatz veranstalten.

#Challenge nennt man das, wenn einer anfängt und alle nachhüpfen, weil man sonst… Ja sonst? Ich weiß auch nicht. Vielleicht wird man dann gehänselt. Die (Regierungs-) Kollegen kleben einem Zetterl auf den Rücken, wo dann so Gehässigkeiten stehen, wie „Ich bin doof. Bäh!“ Kann sein.

Da lob ich mir noch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, die ihren TikTok-Followern in zugegeben sehr bezaubernder Art und Weise erklärt, wie ihr denn ein „romantischer Heiratsantrag“ zu stellen sei oder auch, dass der „Lipgloss“ auf Reisen nicht fehlen darf.

Und da reden wir bitte nur von der Spitze jenes Eisberges, an dem das Ansehen heimischer Politik täglich aufs Neue zerschellt.

Zeiten ändern sich.

Klar, die Zeiten ändern sich. Politiker wie Kreisky, Adenauer, Brandt, Schmidt, De Gaulle und viele andere kann man nicht kopieren und soll es auch nicht. Geprägt von der zerstörerischen Kraft zweier Weltkriege, mitten im Spannungsfeld des Ost-West-Konfliktes wussten sie genau, was auf dem Spiel steht. Politik war für sie kein Spaß, sondern die Chance Europa in eine Zeit der Sicherheit, des Friedens und des Wohlstandes zu führen.

Eine Zeit die nun zu Ende geht. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine krochen auch die Geister des Kalten Krieges wieder aus ihren Löchern.

Frieden und Sicherheit sind kein Zustand mehr, sondern erneut Auftrag.

Ich wäre deshalb froh, wenn auch hierzulande Politiker und Politikerinnen diesen Auftrag und sich selbst wieder ernst nehmen würden. Und wenn sie darüber hinaus auch noch die Gnädigkeit besäßen, uns, den Bürgerinnen und Bürgern des Landes, auf Augenhöhe zu erklären, warum und wie das unser Land weiterbringt. Ganz ohne PR-Falle, Tik und Tok.