Die neue Bundesregierung ist nun seit 100 Tagen im Amt. Die Einarbeitungszeit und Schonfrist sind vorbei. Von nun an wird genau darauf geschaut, was die Regierung zustande bringt. Ein Grundsatz gilt ab sofort: liefern – und Österreich aus der Krise führen!

Die Herzen der Menschen hat die neue Regierung auch 100 Tage nach ihrer Angelobung noch nicht erobert, ja nicht einmal erreicht. Die Skepsis in der Bevölkerung ist nach wie vor groß – und das zu Recht. Die bisherige Bilanz fällt, mit wenigen Ausnahmen, ernüchternd aus.

Kanzler Stocker: Ruhe allein reicht nicht

Auffällig: Bundeskanzler Christian Stocker lässt sich trotz der schwierigen Lage nicht aus der Fassung bringen und strahlt vor allem Ruhe aus. Das mag dem hektischen, oft künstlich aufgeregten Politbetrieb guttun – auf Dauer ist es aber kein ausreichendes Rezept, um die drängenden Probleme des Landes zu lösen. Und diese sind zahlreich: Budgetmisere, Wirtschaftsflaute, hohe Arbeitslosigkeit und eine pessimistische Grundstimmung, die wie eine dichte Nebelschicht über dem Land liegt.

Jetzt muss die Regierung einen Gang höher schalten und endlich Ergebnisse liefern. Neben der inhaltlichen Arbeit sollten auch einzelne Regierungsmitglieder ihren Stil überdenken.

Schellhorns Absturz und Meinl-Reisingers Fehltritte

Allen voran Sepp Schellhorn, der von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt und als Staatssekretär all das verkörpert, was er früher als Oppositionspolitiker an den Regierungen kritisiert hat. So wird Pink immer blasser – ebenso Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. Ihre megafonartige Rhetorik hat in der Welt der Diplomatie nichts verloren. Sie sollte sich bei ihrem Vorgänger eine Nachhilfestunde nehmen – und aufhören, wie ein Elefant durch den Porzellanladen zu gehen. Beispiel: Affront gegen Serbien. Hier wird viel Aufgebautes zerstört.

Ganz anders wirkt Christoph Wiederkehr, der im Bildungsressort sachlich und unaufgeregt arbeitet.

ÖVP: Zwei Hoffnungsträger – und ein Selbstvermarkter

In der ÖVP fallen zwei junge Kräfte positiv auf: Familien- und Integrationsministerin Claudia Plakolm sowie der neue Staatssekretär im Kanzleramt, Alexander Pröll. Beide machten in den ersten 100 Tagen eine gute Figur und entwickeln sich zu den Taktgebern des türkisen Regierungsteams.

Ein Grundsatz sollte sich Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer zu Herzen nehmen: Weniger Social Media, mehr Wirtschaftspolitik. Wachstum und Wohlstand entstehen nicht durch permanente Postings. Die Unzufriedenheit in Wirtschaftskreisen ist bereits spürbar – ein Weckruf für Hattmannsdorfer. Noch hat er eine Chance, doch seine Karte als möglicher Kronprinz innerhalb der ÖVP hat er bereits verspielt.

SPÖ: Hanke liefert – Babler bleibt blass

Sein Pendant in der SPÖ, Infrastrukturminister Peter Hanke, agiert auf Bundesebene genauso wie zuvor in Wien: ruhig, besonnen, im Schatten der Regierungsspitze. Unauffällig, aber wirkungsvoll, sammelt der rote Wirtschaftsmann führende Unternehmen um sich, um Milliardeninvestitionen in Österreichs Infrastruktur zu realisieren.

Blass bleibt dagegen der rote Vizekanzler Andreas Babler. Eine erkennbare sozialdemokratische Handschrift ist auch nach 100 Tagen nicht zu sehen. Ein Lichtblick: Staatssekretärin Michala Schmidt, die mit Alexander Pröll eine professionelle und effektive Regierungsachse bildet.

Jetzt zählt die Leistung – nicht das Parteibuch

Ab jetzt wird der Regierung genau auf die Finger geschaut. Die „Honeymoon-Phase“ der ersten Wochen ist vorbei. Mit dem Doppelbudget wird in den nächsten Tagen die erste Pflicht erfüllt – mehr aber nicht. Nun muss die Kür folgen: Reformen und das Angehen unangenehmer Themen. Etwa der Föderalismus – Stichwort Bundesländer. Auch sie stehen in der Verantwortung. Sich ständig an der Bundesregierung abzuputzen und stets den Bund verantwortlich zu machen, ist zu wenig.

Österreich steht vor großen Herausforderungen – und zugleich vor einem wahlfreien Zeitfenster von rund zwei Jahren. Diese Zeit muss jetzt genutzt werden. Alle Akteure sollten sich dabei eines bewusst machen: Wenn eine Partei oder ein Bundesland blockiert, wird sich Herbert Kickl weiterhin die Hände reiben – und die FPÖ auf der Siegesstraße bleiben.