
Eva Schütz: Österreichs Ampel-Experiment: Droht uns der deutsche Stillstand?
Sie werden wohl nicht als die drei Musketiere in die Geschichte eingehen, die unser Land retten. Die Dreierkoalition, die in Wien in den Startlöchern steht, gleicht eher einem Zweckbündnis als einer großen Zukunftsvision. Kaum jemand glaubt ernsthaft daran, dass dieses Bündnis fünf Jahre lang halten wird. Österreichs zukünftige Regierung trägt schon vor der Angelobung den Stempel, eine Übergangslösung zu sein. Doch können wir uns das in Zeiten wie diesen überhaupt leisten?
In Deutschland wurden am Sonntag die Überreste der linksliberalen Ampelkoalition abgewählt. In Österreich steht sie hingegen kurz vor ihrer Angelobung. Besonders die Kanzlerpartei SPD und die liberale FDP mussten bei der Bundestagswahl dramatische Verluste einstecken. Für Olaf Scholz bedeutet das Wahlergebnis sein Ende als Bundeskanzler, für die FDP sogar das Aus als Parlamentspartei. Auch die Grünen müssen sich wieder mit der Oppositionsrolle begnügen – ohne ihren Kanzlerkandidaten Robert Habeck in einer Führungsposition.
Ein Blick zum Nachbarn zeigt, was auf Österreich zukommen könnte. Noch ist zwar nichts endgültig entschieden, und die vergangenen 150 Tage haben gezeigt, dass es jederzeit zu überraschenden Wendungen kommen kann. Doch aktuell deutet alles auf eine Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS hin.
Wenn drei Parteien mit so wenigen inhaltlichen Überschneidungen gemeinsam regieren wollen, sind Stillstand und gegenseitige Blockaden nahezu garantiert. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zwischen SPÖ und ÖVP sind seit dem Ende der großen Koalition 2017 noch alte Rechnungen offen, und manche Wunden von damals sind längst nicht verheilt. Zudem misstraut die ÖVP den NEOS seit deren Gründung vor mehr als zehn Jahren immer noch zutiefst. Gleichzeitig haben die NEOS erhebliche Schwierigkeiten mit den linken Positionen der SPÖ unter Andreas Babler.
Es ist daher zu erwarten, dass Österreich eine Regierung erhält, die bereits geschwächt an den Start geht und mehr mit internen Machtkämpfen als mit der Führung des Landes beschäftigt sein wird. Wir bekommen einen Kanzler, den vor sechs Wochen noch niemand ernsthaft auf der Rechnung hatte und der Anfang Jänner noch gemeinsam mit Karl Nehammer die Führungsetage der ÖVP verlassen wollte. Der neue Vizekanzler steht indes für das schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der SPÖ und kann sich nicht einmal der vollen Unterstützung seiner eigenen Partei sicher sein. Dazu kommen die NEOS, die wohl einige ihrer Grundpositionen über Bord werfen werden, um am Tisch der Macht Platz nehmen zu dürfen und ÖVP und SPÖ die Parlamentsmehrheit absichern.
Die ungelösten Probleme des Landes, die mehr statt weniger werden, bleiben dabei auf der Strecke – ebenso wie eine zunehmend frustrierte und enttäuschte Bevölkerung. Natürlich verdient jede Regierung ihre faire Chance. Doch drei Jahre deutsche Ampel-Regierung sollten den Parteien und Politikern in Österreich eine eindringliche Warnung gewesen sein. Anscheinend hat man aus den Fehlern des Nachbarn nichts gelernt. Schon aus diesem Grund hätte Österreich eine mitte-rechts Regierung gutgetan. Es wird aber wohl so kommen, wie wir es in Deutschland mitverfolgen konnten: Am Ende scheitert die Ampel, und die Schuld wird bei anderen gesucht. Dann zeigt man sich überrascht, wenn die politischen Ränder weiter erstarken.
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