
Kolumne Laura Sachslehner: Wie rechtsextrem sind Sie?
Die Diskussion um ein mögliches Verbot der AfD infolge eines Berichtes des deutschen Verfassungsschutzes, wonach die AfD „gesichert rechtsextremistisch“ sei, wirft einige Fragen auf: Wann wird abweichende Meinung vom Mainstream zu einem Problem? Wie viel eigene Meinung darf jeder einzelne heute noch vertreten? Und wo müssen wir tatsächlich die Grenzen ziehen?
Sind Sie gegen den ungehinderten Zustrom von illegalen Migranten nach Europa? Glauben Sie daran, dass es nur zwei Geschlechter gibt? Sind Sie der Meinung, dass die Migrationskrise der letzten Jahre unseren Kontinent vor unfassbare Herausforderungen gestellt und diesen nachhaltig verändert hat? Würden Sie dafür eintreten, dass Familien und Kinder das Zentrum unserer Gesellschaft bleiben sollten und dementsprechend Unterstützung finden müssen?
Falls Sie diese Fragen für sich mit „Ja“ beantworten, dann sollten Sie gut aufpassen, wie Sie Ihre Meinung darüber öffentlich artikulieren. In Deutschland reichen viele dieser Anliegen heutzutage nämlich schon aus um als „radikal“, „reaktionär“ oder gar „rechtsextrem“ abgestempelt zu werden. Der deutsche Verfassungsschutz liefert sich dazu neuerdings einen erschreckenden Schlagabtausch mit der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), die wenig überraschend nun seit einigen Wochen auch die Umfragen in Deutschland anführt.
Um hier gleich vorweg mal eines klarzustellen: Niemals sollte man sich über Extremismus, egal von welcher Seite er kommen mag, lustig machen. Und immer dann, wenn es ernsthafte Verdachtsmomente für extremistische Strömungen gibt, braucht es einen Verfassungsschutz, der das ordentlich im Auge behält. Keinesfalls darf man – egal, ob in Deutschland oder bei uns in Österreich – Bestrebungen tolerieren, die unsere Demokratie und unsere Gesellschaftsordnung untergraben möchten. Doch in der jüngsten politischen Debatte erleben wir schnell, wie missbräuchlich diese Begriffe verwendet werden und wie gerne sie von manchen Akteuren gezielt benutzt werden, um das politische Gegenüber mundtot zu machen oder in ein möglichst schmuddeliges und unseriöses Eck zu stellen. Die Umschreibung „rechtsextrem“ ist mittlerweile zu einem politischen Kampfbegriff geworden. Und das halte ich für ein ernstes Problem.
Über 20 Prozent der Deutschen werden in ein rechtsextremes Eck gestellt
Sicher gibt es im Fall der AfD einige Aussagen von einzelnen Parteimitgliedern und Funktionären, die kritisch zu betrachten sind. Man darf und soll sich in solchen Fällen auch kritisch zu Wort melden. Aber eine Partei, die in Deutschland seit Jahren konstant auf dem Vormarsch ist und die in einigen Bundesländern bereits dominierende Kraft ist, mittels solch geheimer und intransparenter Gutachten aus dem Weg räumen zu wollen, hat weder etwas mit Extremismusbekämpfung, geschweige denn mit Demokratie zu tun. Da geht es ganz offensichtlich nur noch um Stimmungsmache, um eine Partei aus dem Weg zu räumen, die manchen zu erfolgreich und damit zu gefährlich wird. Dass hier einzelne Bürokraten und offenkundige Aktivisten mehr als 20 Prozent der deutschen Wählerschaft, die bei der Bundestagswahl im Februar ihre Stimme der AfD gegeben haben, damit unterstellen, sie hätten entweder eine „gesichert rechtsextremistische“ Partei unterstützt oder seien damit gar selbst am Rande des Rechtsextremismus, ist in Wahrheit brandgefährlich.
Solche politischen Spielchen kommen lediglich all jenen gelegen, die davon profitieren, wenn immer mehr Menschen ihr Vertrauen in staatliche Institutionen verlieren und sich von ihnen abwenden. Auch dem Kampf gegen den Rechtsextremismus erweist man damit einen Bärendienst. Wenn plötzlich Millionen von Wählern in Deutschland in die Kategorie des Rechtsextremismus fallen sollen, dauert es nicht lange, bis dieser für viele Menschen tatsächlich immer stärker an Schrecken verliert und salonfähig wird.
Fakt ist: Je öfter man Personengruppen mit diesem Vorwurf zu verunglimpfen versucht, desto mehr rücken die dahinterstehenden Sorgen in den Hintergrund. Dabei sollte uns gerade das der Erfolg der AfD und anderer ähnlicher Parteien schon längst vor Augen führen: Es gibt Sorgen und Ängste rund um die Themen Migration, Sicherheit und unser gesellschaftliches Zusammenleben, die derart evident sind, dass immer mehr Menschen, Parteien wählen, die ihnen genau dafür schnelle und einfache Lösungen versprechen. Davon wird sie auch kein geheimes Gutachten irgendeiner Behörde abhalten – im Gegenteil. Wer sich also nicht den tatsächlichen Problemen annimmt, sondern Millionen an Wählern ständig in ein rechtsextremes Eck stellt, der betreibt in Wahrheit selbst die beste Wahlhilfe für die AfD.
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